a ist sie also endlich, die erste "echte" Abenteuer-Sammlung
für das deutsche Cthulhu. Äußerlich gibt es keine
Überraschungen, die grafische Gestaltung von Umschlag und Inhalt
entsprechen dem bereits mit dem Regelwerk eingeführten und mit
"Wales"
und "Amerika"
fortgeführten Standard. Ob man darüber glücklich sein
muß, muss wohl jeder selbst entscheiden. Es wird zumindest immer
schwieriger, die jeweiligen Titel der Neuerscheinungen auf dem Cover
zu entziffern...
Inhaltlich erwarten den Käufer neben fünf
Abenteuern noch einige Seiten mit Informationen
über die Indianerstämme des amerikanischen Nordostens und
insbesondere deren Schamanen, Rituale, Legenden usw. sowie der Artikel
"Von echten Schrecken und schrecklichen Spielleitern",
durchaus wertvoll für Einsteiger. Die Handouts
der einzelnen Abenteuer werden zudem noch um viele Seiten mit neuen
Mythos-Texten, also Auszügen aus diversen
Büchern und Grimoires, ergänzt, wie man es schon aus den alten
Laurin-Ausgaben kennt. Autor derselben ist wiederum Wolfgang
Schiemichen, allerdings ist die grafische Gestaltung der Texte,
wie auch der Handouts insgesamt, wesentlich besser gelungen, als dies
bei Laurin der Fall war. (Abkopieren und an die Spieler verteilen würde
ich sie dennoch nicht...)
Neben vier Abenteuern, die aus älteren (antiken?)
amerikanischen Call-of-Cthulhu-Produktionen von Chaosium stammen, ist
ein gänzlich neues Szenario enthalten,
verfasst von Frank Heller, der den Lesern des Chronicle ja kein
Unbekannter sein dürfte. Um es vorweg zu nehmen, ist dieses auch
zweifelsohne das beste in diesem Band enthaltene Abenteuer. Aber der
Reihe nach!
Das Nest (Original:
The Warren) - Die Charaktere werden auf diffusen Wegen in die geheimnisvolle
Geschichte eines alten Hauses, des Boucher-Anwesens verwickelt, wo sie
es mit einem Y'golonac-Anhänger und seiner auf fürchterliche
Weise degenerierten Familie zu tun bekommen.
Wie Wolfgang Schiemichen schon in der Einführung schreibt - ein
mäßiges, wenig überzeugendes Abenteuer. Zwar werden
Tipps zum Umschiffe einiger besonders arger Klippen gegeben, zu einer
positiven Überarbeitung langt das aber noch nicht. Klar, mit eigenen
Ideen und Ergänzungen wird da sicherlich was Tolles draus, aber
kann das der Sinn einer Publikation wie dieser sein? Dem Spielleiter
etwas Mieses vorlegen, damit er möglichst viel selbst macht bzw.
halt nicht und dann auf die Schnauze fällt - um daraus zu lernen
und für das Leiten anderer, besserer Abenteuer vorbereitet ist?
Wer ein thematisch derart gelagertes Abenteuer spielen möchte,
lese liebe Graham Masterons "Die Opferung", just im Festa-Verlag
erschienen.
Der Fall (Original: The Case) lehnt
sich an Lovecrafts Der Fall Charles Dexter Ward an und führt
die Charaktere u. a. nach Providence, wo die Neugier und Experimentierfreude
eines alten Freundes böse Folgen für ihn hat und einen Hexenmeister
ins Leben zurückruft.
Mit einigen schaurigen Momenten in den Gewölben eines Turms versehen,
nicht so wahnsinnig gehaltvoll, für Einsteiger aber noch interessant.
Das entsetzlich einsam gelegene Haus im Wald
- Ein Autounfall mitten in den Wäldern Maines konfrontiert die
Charaktere mit einem alten indianischen Geist. In einer alten Jagdhütte
müssen sie die Nacht verbringen, überleben und die Fesseln,
die den Okanda-Hepa in den Hügel bannten, wiederherstellen...
Frank Hellers Abenteuer wartet mit einigen Motiven auf, die dem ersten
Tanz der Teufel-Film entliehen sind, ohne jedoch dessen Splatter-Horror
nachahmen zu wollen. Ein geschickter Spielleiter, der die Illusionen
und indirekten Fähigkeiten des indianischen Geistes, des Okanda-Hepa,
richtig einsetzt, wird seine Spieler zweifellos das Fürchten lehren
können. Ausnahmsweise mal keine extensiven Recherchen von Familien-Geschichten,
Dokumenten usw., sondern ein echter, vor allem psychischer Überlebenskampf.
Das einzige der Abenteuer in diesem Band, das ich selbst mal mit meiner
Gruppe spielen möchte. Gut!
Autonarren (Original: Furious Driving)
- Erneut wartet eine dunkle Familien-Vergangenheit darauf, von den Charakteren
erforscht zu werden.
Mehr gibt's dazu eigentlich nicht zu sagen. Was soll man von diesem
Abenteuer halten? Teilweise sicher originell, ist das "Finale"
in meinen Augen nur lächerlich. Sollte sich unter den Charakteren
einer Gruppe ein Autonarr befinden, läßt sich noch einiges
daraus machen, so bleibt außer einigen netten Ansätzen und
einem überflüssigen Avatar Nyarlathoteps nur ein holpriges
Abenteuerchen, das einiger Überarbeitung bedarf, bevor es auf die
Spielrunde losgelassen werden sollte.
Der Gott im Labyrinth (Original:
The Pale God) - Auf konspirative Weise werden die Charaktere in das
Schicksal von Stuart Cabot-Jenkins verwickelt, der einen Blick zuviel
in das alte Martensen-Anwesen und die Labyrinthe darunter warf. Auch
die Charaktere könnte eine Erforschung der Tunnel in unangenehme
Gefilde führen, vielleicht sogar nach England. Und irgendwo im
Haus des Wurms windet sich der Große Alte Eihort in Erwartung
neuer Opfer...
Das beste der vier klassischen CoC-Abenteuer und durchaus geeignet,
den Auftakt einer Kampagne zu bilden. Wenn der Spielleiter es schafft,
einige Längen zu vermeiden (endloses Tunnel-Gelaufe...), eine einigermaßen
gelungene Verarbeitung einer Mythos-Story von Brian Lumley. Allerdings
ohne mit besonderen Einfällen zu glänzen.
Fazit:
Die Auswahl der "klassischen" Abenteuer ist leider (fast)
gänzlich mißglückt. Einzig The Pale God ist in
der vorliegenden Fassung zum Spielen zu empfehlen, die drei anderen
sind so kaum spielfertig. Sicher, das diese Abenteuer mangelhaft sind,
wird vom Herausgeber bereits in der Einführung deutlich gemacht.
Nur warum dann diese Wahl? Eine Begründung in der Richtung, das
neue/unerfahrene Spielleiter so am besten lernen, zieht nun wirklich
nicht. Warum soll ein Spielleiter denn über 30 DM für miese
Abenteuer ausgeben, in die er viele Stunden eigener Arbeit stecken muß,
wenn er auch gut ausgearbeitete, logisch aufgebaute und mit hilfreichen
Hinweisen versehene Abenteuer bekommen könnte? Die Palette guter
Chaosium-Abenteuer ist zwar relativ klein, aber hier wurde mit sicherem
Gespür und anscheinend völlig bewußt in die Brennesseln
gegriffen. Schade!
Ein wenig unwohl wird mir bei der Flut an Mythos-Werken, die in diesen
Abenteuern auftauchen. Vom Necronomicon über Cultes des Ghoules,
Monstres and their Kynde, Thaumaturgical Prodigies in the New England
Canaan, Revelations (nicht "Relevations"
) of Glaaki
bis zum Book of Eibon ist einiges vertreten, was Rang und Namen hat.
Nicht unbedingt das, was ich neuen/unerfahrenen Spielleitern empfehlen
würde...
Auch schade, das die Artikel/Abenteuer nicht jeweils mit dem Namen des
Autoren versehen sind. Warum eigentlich?
Mangels Alternativen wird und sollte man auch "In
Labyrinthen" kaufen; ist zwar etwas viel Geld für ein, sagen
wir zwei gute Abenteuer, aber so selten, wie deutsche Cthulhu-Publikationen
erscheinen, sollte und muß! jeder das Geld überhaben.
Ingo Ahrens
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