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Edition Metzengerstein
Thomas Ligotti
In einer fremden Stadt,
in einem fremden Land

Festa-Verlag, 158 Seiten SC
19,80 DM
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L

orweg sei klargestellt, das es sich bei diesem Paperback NICHT um eine 1:1-Ausgabe des gleichnamigen, limitierten Hardcovers handelt, der vor einiger Zeit erschien (siehe Rezension). Zusätzlich zu den bereits im HC enthaltenen vier Stories enthält dieses Band nun noch weitere zehn Erzählungen des modernen Meisters der Phantastik, Thomas Ligotti.

Sie entstammen den amerikanischen Veröffentlichungen Songs of a Dead Dreamer (Die Musik des Mondes, Dr. Voke und Mr. Veech, Luchsauge, Dr. Locrians Irrenhaus, Die verlorengegangene Kunst des Zwielichts), Grimscribe (Der Schatten am Grund der Welt) und Noctuary (Die Medusa, Die Verheißung der Träume, Die seltsame Kunst des Meister Rignolo, Die Stimme in den Knochen) und bieten insgesamt einen exquisiten Querschnitt aus Ligottis Schaffen, der meines Erachtens in seiner Zusammenstellung selbst Teatro Grottesco noch übertrifft.

Es wäre müßig, jede einzelne der Geschichten inhaltlich hier nacherzählen zu wollen, zumal ich dies nur sehr unzureichend könnte. Ich greife daher nur mal meine beiden Favoriten aus der Sammlung heraus, als dies wären Die Musik des Mondes und Die verlorengegangene Kunst des Zwielichts.

Schon anhand der Titel seiner Werke läßt sich selbst für den unerfahrenen Ligotti-Leser erahnen, wie ungewöhnlich sie in vielerlei Hinsicht sind, ohne das er dabei mit übertriebenem Adjektivismus, verkitschter Romantik oder hochtrabendem Symbolismus um sich wirft. Ligotti weiß mit jedem Wort genau, welche Stimmung er ausdrücken will und vermeidet großartige Ausschweifungen. Die morbiden, düsteren, beklemmenden Szenarien entstehen ganz natürlich ohne gekünstelt zu wirken, niemals plakativ zu sein.

Die Musik des Mondes verwendet ein Motiv, das der eine oder andere sicher kennt, wenn auch (hoffentlich) nicht in der ungewöhnlichen Ausprägung, wie der arme Tressor: Schlaflosigkeit. Tressor berichtet dem Erzähler von einer nächtlichen Wanderung in die abgelegeneren Viertel der Stadt, wo er mit anderen einer seltsamen Veranstaltung beiwohnt, einem Konzert das ihn endlich einschlafen lässt. Doch das Erwachen ist böse, denn die anderen Zuhörer findet er kokonartig in einem weißen Gespinst vor, mit leeren Augenhöhlen auf die Bühne starrend. Von der Musik, die er "im Fleische" hört, vermag er sich allerdings nicht mehr zu lösen, und eines Tages bleiben seine Besuche beim Erzählenden aus. Auch diesem fällt es nun schwer, seine Schritte aus gewissen Teilen der Stadt fernzuhalten...
Eine vergleichsweise kurze, straffe Geschichte mit feinen Details, die den aufmerksamen Leser belohnen und den weniger aufmerksamen immerhin mit einem unbestimmten Schauer zurücklassen.

Die verlorengegangene Kunst des Zwielichts befasst sich ungewöhnlicherweise (für Ligottis Verhältnisse) mit dem ausgelutschten (hehe) Thema Vampire. Ein dekadenter Sprößling einer untoten Mutter lebt zurückgezogen auf seinem Landsitz und erwartet mißbilligend den unerwünschten Besuch seiner Verwandtschaft aus Frankreich ("die väterliche Linie der Familie..."). Wie soll er seine besondere "Veranlagung" vor ihnen verbergen? Oder sollte die Frage lauten: Warum?...
Anspielungen und Kleinigkeiten machen auch hier einen besonderen Reiz aus, die Erzählweise aus Sicht des selbstgefälligen Protagonisten nehmen einen fast schon für ihn ein. Umso schauriger, wenn auch nicht unbedingt überraschender, die Wendung gegen Ende, versehen mit wirklich grausigen Beschreibungen der... ach, ich will euch nicht das Vergnügen nehmen.

Was einem immer wieder bei Ligotti auffällt, sind die häufig wiederkehrenden Details oder Motive, wie zum Beispiel Clowns oder Clownfiguren, Glocken (sehr häufig) und Doktoren bzw. Ärzte. Daraus ergibt sich glücklicherweise kein langweilender Wiederholungseffekt, vielmehr fragt man sich, was Ligotti damit bezweckt, was steckt dahinter? Ich bin noch nicht dahintergekommen, vielleicht verschafft mit S. T. Joshis Aufsatz im kommenden "Moderne Horrorautoren Band 2" einen neuen Einblick...

Wie auch immer, dieser Band ist mehr als nur eine Empfehlung wert - er ist in meinen Augen eine neue Referenz in Sachen Thomas Ligotti in Deutschland, was nicht zuletzt auch der großartigen Übersetzung durch Eddie M. Angerhuber zu verdanken ist. Ligotti hat leider noch nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient, aber das ging schließlich auch Lovecraft so. Ich für meinen Teil geniesse jedes Häppchen Tom Ligotti das ich bekommen kann und bedauere jeden, der meint, sich nicht mit diesem großartigen Autor beschäftigen zu müssen. Danke an Frank Festa, der es immer wieder möglich macht, das solche Kleinode erscheinen!

Ingo Ahrens

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