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David J. Schow
Der Schacht
Roman
Blitz-Verlag Windeck, 2001
352 Seiten Paperback, DM 29,80
ISBN 3-89840-042-5
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Die Zeit heilt keine Wunden; sie glättet lediglich die Narben.

M

it dieser Einleitung wird bereits recht deutlich, das und warum dieser Mann, David J. Schow unter anderem das Drehbuch für The Crow geschrieben hat. Nicht, das "Der Schacht" sonst viel mit der Krähe zu tun hätte, wenn sich auch die eine oder andere Parallele in der Beschreibung einer verkommenen Stadt wie ein Vorhof der Hölle finden läßt.

"Der Schacht" gehört zu einem großen, alten Mietshaus in Chicago namens "Kenilworth Arms". Eine heruntergekommene Anlage alleruntersten Ranges, schmutzig, schäbig, verfallen und doch bewohnt. Denn wer nach einem Jahr noch hier haust, schafft es auch nicht mehr raus, heißt es. Für mehrere Personen wird das Kenilworth Arms zum Angelpunkt des Schicksals, denn das Gebäude hat ein ganz besonderes "Eigenleben" und beginnt, seine Bewohner zu verschlingen. Als der aus Miami nach Chicago geflüchtete Drogendealer Cruz (er ist dafür verantwortlich, das die bevorzugte Bettgefährtin seines Bosses vom Balkon nach unten gesegelt ist und sich über den Boden am Pool verteilte) zwei Kilo Kokain seines neuen Arbeitgebers während einer Polizeiaktion im Haus in den besagten Schacht im Badezimmer wirft, kommt das Kenilworth Arms auf einen Drogentrip, bei dem nicht nur die Wände bluten werden und es neues Leben aus denen erschafft, die es absorbiert hat...

Obwohl David J. Schow wohl nicht so sehr glücklich damit ist, gilt er als Vater des Splatterpunk, seit er diesen Begriff auf einer Convention prägte. Definiert man "Splatterpunk" tatsächlich als "weniger literarische Qualität, mehr rohe Gewaltdarstellung", muß man dies zumindest für "Der Schacht" auch verneinen, denn der Roman hat eine mind. ebenso hohe literarische Qualität wie Bret Easton Ellis' "American Psycho". In der Tat sehe ich einige Parallelen auch zwischen diesen beiden Romanen, und das nicht nur ob der mehr oder minder expliziten Darstellungen von Gewalt und Pornographie. Ellis beschreibt die Dekadenz der Yuppie-Gesellschaft der Achtziger, Schow den Schmutz des Drogenmilieus im Chicago des gleichen Jahrzehnts - zwei unterschiedliche Blicke auf dieselbe Zeit.

"Der Schacht" liest sich außerordentlich flüssig und durch die Vielzahl an Handlungsträgern und damit unterschiedlichen Persönlichkeiten wird der Leser schnell von der Handlung in Beschlag genommen und sein Interesse an ihrem Fortgang und der Entwicklung der Charaktere untereinander geweckt. Die Schilderungen der Aktivitäten und Gedanken des Hauses haben oftmals schon einen romantischen Touch, beispielsweise wenn die alte Dame im Schlaf erstickt, weil das Haus sämtliche Öffnungen und Ritzen ihrer Wohnung heimlich verschließt.

Eine Menge Druckfehler trüben den Genuß ein wenig, das es besser geht, hat das ebenfalls in dieser Ausgabe rezensierte "Spiel des Verderbens" von Clive Barker gezeigt. Das Outfit des Paperbacks ist, man braucht es bei Produktionen des Blitz-Verlags, speziell der Edition Metzengerstein, fast schon nicht mehr erwähnen, weil Standard, herausragend und wurde von Babbarammdass gestaltet, dessen Homepage ebenfalls einen Besuch wert ist. Die Übersetzung selbst wirkt gut gelungen, präzise und pointiert, allerdings konnte ich sie nicht mit dem Original vergleichen.

"Der Schacht" bekommt von mir ohne Zögern eine Kaufempfehlung und rangiert definitv vor "Spiel des Verderbens". Allerdings ist Vorsicht angesagt - wer auf Subtileres steht und Probleme mit expliziten Gewalt- und sexuellen Darstellungen hat, sollte besser zu Winnie Puh greifen :-) Alle anderen, die eine echte Perle in der heimsuchenden Flut schlechter Horror-Romane suchen, haben keine andere Wahl als dieses Buch.

Ingo Ahrens

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