Dennis Detwiller, Adam Scott Glancy, John
Tynes
Delta
Green
Quellen- und Abenteuerband für das Horror-Rollenspiel Call
of Cthulhu
Cover: Blair Reynolds;
Illustrationen: Toren G. Atkinson, Dennis Detwiller, Heather Hudson,
John T. Snyder;
298 Seiten; in amerikanischer Sprache; 1996/1997 Pagan Publishing;
ca. 60 DM
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urz und bündig: Delta Green öffnet völlig
neue Horizonte für Call of Cthulhu. Selten hat ein Quellenbuch
die Atmosphäre von CoC so grundlegend umgekrempelt, wie es
Delta Green geschafft hat - aber nicht zum Nachteil des Systems.
Delta Green hat CoC einen neuen und sehr zeitgemäßen
Rahmen verpaßt. In Delta Green sind die Mitspieler, ähnlich
wie in der Fernsehserie Akte X, Angehörige von Regierungsbehörden
die sich mit der Aufklärung unerklärlicher Fälle
beschäftigen. Die ultrageheime Organisation Delta Green wurde
1928 nach einem militärischen Angriff auf die von Deep Ones
verseuchte Stadt Innsmouth ins Leben gerufen. Als 1969 ein von
Delta Green geleitetes Kommandounternehmen in Kambodscha fehlschlug,
wurde die Organisation offiziell aufgelöst. Allerdings konnten
sich das Führungsgremium nie mit der Auflösung der Abteilung
abfinden und seitdem arbeitet Delta Green im Geheimen weiter.
Das bedeutet für alle Delta Green-Agenten, daß sie
offiziell als Vertreter anderer Regierungsbehörden arbeiten
- der CIA, des FBI, der NSA, des Secret Service, der U.S. Army
usw. Inoffiziell arbeiten sie aber für Delta Green und müssen
darauf achten, daß niemand etwas von ihren wahren Auftraggebern
erfährt, da die Existenz der Organisation auf keinen Fall
bekannt werden darf, denn Delta Green hat mächtige Feinde
- auch innerhalb der U.S. Regierung.
In Delta Green werden auf geniale Weise die Elemente des Cthulhu-Mythos
an die heutige Zeit angepaßt - einer Welt, die bis in den
letzten Winkel kartographiert, von Satelliten überwacht und
von Wissenschaftlern ausgewertet ist. Dies war bei Cthulhu-Abenteuern
in den 90ern stets ein Problem: Wo sollte nur die winzige Nische
sein, in denen sich in der heutigen Zeit die Wesen des Mythos
verkriechen konnten? Die Lösung ist so genial wie einfach:
irgend jemand innerhalb der Regierung muß ein Interesse
daran haben, die Existenz dieser Entitäten vor den Augen
der Öffentlichkeit zu verbergen. Delta Green verbindet dabei
Verschwörungstheorien mit UFO-Sichtungen, dem geheimnisvollen
Absturz eines Flugobjektes 1947 bei Roswell, ja selbst der FBI-Angriff
von 1993 auf die Festung der Davidianer in Waco/Texas wird in
das monumentale Werk mit eingebunden. Bestechend, wie bei allen
Arbeiten von Pagan Publishing, sind die sorgfältig recherchierten
Daten und die graphische Gestaltung des Bandes: Detaillierte Beschreibungen
von echten Regierungsbehörden (CIA, FBI, Secret Service,
US Army, US Air Force, Navy usw.) gehören ebenso zum Umfang
dieses Buches, wie täuschend echte Kopien von streng geheimen
Regierungsdokumenten, Beschreibungen neuer Fertigkeiten, Charakterprofile,
Waffen für die 90er und drei Abenteuer.
Wird das klassische CoC längere Zeit gespielt, könnte
ein Spielcharakter (falls er lange genug lebt) durchaus den Eindruck
gewinnen, er habe irgendeinen merkwürdigen Fluch auf sich
geladen - schließlich scheint er mysteriöse Fälle
genauso anzuziehen wie die Titanic Eisberge. In Delta Green wird
der Spielleiter endlich aus dem Dilemma befreit, seinen Spielern
ständig ein glaubwürdiges Motiv für die Recherche
in einem ungewöhnlichen Fall zu liefern - sie bekommen den
Befehl aus ihrer Führungszelle, werden mit den erforderlichen
Fakten versehen und los gehts. Schließlich sind die
Spielercharaktere Mitglieder einer Organisation, die es sich zum
erklärten Ziel gesetzt hat, paranormale Aktivitäten
zu eliminieren. Delta Green hat kein Interesse an einer wissenschaftlichen
Untersuchung und Erklärung der Vorkommnisse, vielmehr sieht
die Organisation ihre Aufgabe im Schutz der Vereinigten Staaten
vor einer paranormalen Bedrohung. Den Agenten stehen dabei umfangreiche
Ressourcen zur Verfügung: Computergestützte Archive,
alle modernen Telekommunikationsmittel, Labors, wissenschaftliche
Mitarbeiter und natürlich modernste Waffen - endlich kann
auch der Coc-Spieler mal so richtig aus dem Vollen schöpfen
- ob ihm das bei den Wesenheiten des Mythos etwas nutzt, ist eine
andere Frage...
Internet-Benutzer haben die Möglichkeit, die
Delta
Green Webpage aufzusuchen. Abgesehen von den Möglichkeiten,
die eine Einbindung des Internets in das Rollenspiel eröffnet,
gibt es dort auch einige nützliche Informationen zu sehen:
Dort findet der neugierige Agent offene Fälle, Dossiers von
anderen Agentenzellen, und eine Übersicht über Informanten
- Delta Green an allen Fronten!
Die Arbeit an Delta Green begann bereits 1992 mit der Veröffentlichung
eines Abenteuers im Unspeakable Oath 7. Bis zur endgültigen
Veröffentlichung von Delta Green dauerte es noch weitere
4 Jahre - nach John Tynes eigener Aussage das größte
Projekt, das wir je angingen...". - man kann nur sagen: es
hat sich gelohnt!
Axel Sartorius