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Return to Dunwich

Cthulhu Classics:
Keith Herber
Return to Dunwich
Chaosium 1991


D

en jüngst bei Pegasus erschienenen Band "Amerika - In Städten und Wäldern" nehme ich einmal zum Anlaß, einen Blick auf den inzwischen vergriffenen Kampagnenband "Return to Dunwich" zu werfen, der hier und da in Rollenspielläden noch zu bekommen ist. Denn auszugsweise findet er sich übersetzt in besagtem Amerikaband wieder.

Return to Dunwich gehört, wie der Titel schon vermuten läßt, zur sog. Lovecraft Country Reihe von Chaosium, zu der auch Arkham Unveiled, Kingsport und Escape from Innsmouth gehören, sowie eine Reihe von Abenteuerbänden (Tales of the Miscatonic Valley, Adventures in Arkham Country, Dead Reckonings, Before the Fall).

Return to Dunwich bietet eine in dieser Form nie dagewesene Mischung aus Kampagne und Schauplatz. Glücklicherweise wurde eine solche Präsentation später nicht wieder gewählt, aber dazu gleich mehr.

Denn der Band fängt mit einem Abenteuer an, das plötzlich auf S. 13 abbricht, bevor es richtig begonnen hat. Einige sporadische Hinweise, wie es weitergehen könnte, werden dem Spielleiter noch mitgegeben. Dann beginnt plötzlich das Quellenbuch. Die folgenden Texte finden sich in Übersetzung auch in "Amerika - In Städten und Wäldern". Die Gegend um Dunwich wird beschrieben, jenem verfallenden Städtchen zwischen runden Hügeln, deren Kuppen mit Steinkreisen gekrönt werden, wo Inzucht und moralische Verkommenheit herrschen. Wo der Dorfladen in der verfallenden einzigen Kirche des Ortes untergebracht ist, was eigentlich schon alles sagt. Wo nachts auf den Hügeln Feuer brennen und Gestalten zwischen den stehenden Steinen tanzen und aus der Tiefe der Erde dröhnende Schläge dringen.

Auch über Flora und Fauna erfährt der Leser etwas, wobei hier erstmals ein Bild des berühmten "Ziegenmelkers" zu finden ist, jenes Vogels, der in mehreren der lovecraftschen Geschichten als Unheilsverkünder eine Rolle spielt. Nach Bemerkungen über die Geschichte des Ortes und seine Geheimnisse geht es mit einer detaillierten Beschreibung des Städtchens und der gesamten Gegend weiter. Dabei wird wirklich jedes Gebäude beschrieben, sowohl im Ort als auch außerhalb. Alle sind mit einer Nummer versehen, unter der der Spielleiter nachschlagen kann. Die Beschreibungen unter den einzelnen Nummern beschränken sich dabei nicht darauf festzustellen, hier lebe Familie xy, sondern bietet zudem oftmals gleich noch dunkle Geheimnisse an, die die Charaktere möglicherweise lüften können (meist aber wohl eher nicht). Inzident geht in diesem Gewirr aus Zahlen auch das auf S. 13 abgebrochene Abenteuer weiter. Werden bestimmte Personen aufgesucht, findet sich im Rahmen der Beschreibung ihres Hauses auch gleich noch die Fortsetzung des Abenteuers. Was durchaus verwirrend ist, weil sich keine zusammenhängende Erklärung findet und der Spielleiter sich von Abschnitt zu Abschnitt hangeln muß.

Außerdem steckt in den Beschreibungen eine Art von System, die man etwa aus den Baldur`s Gate Computerspielen kennt: eine Art von Subquests. An einem Ort erfährt man beispielsweise von einem Einbruch. Bei der Beschreibung eines anderen Hauses wird angemerkt, hier lebe der Täter. Und irgendwo bei der Beschreibung einer Ruine findet sich der Hinweis, hier habe der Täter die Beute vergraben. Was dabei leider fehlt, ist eine Verbindung, also ein Lösungsansatz. Wie die Charaktere auf den Täter kommen können, wird der Fantasie des Spielleiters überlassen. Von dieser Art Unterquesten findet sich eine ganze Menge im Hintergrundband. Da aber oft die Hinweise auf die weiterführenden Abschnitte fehlen und ohnehin fast nie geschildert wird, wie man diese Mini-Abenteuer eigentlich lösen kann, steht der Spielleiter vor einer höchst schwierigen Aufgabe.

Irgendwann sind dann alle Örtlichkeiten beschrieben, die in und um Dunwich zu finden sind (was den Hauptteil des Bandes ausgemacht hat), und es geht mit einer Art von "Finale" der Dunwich-Kampagne weiter. Nämlich mit der Beschreibung der Unterwelt unter Dunwich, den Höhlensystemen unter den Hügeln. Dieser Schluß des Bandes ist wieder ganz wie ein gewöhnliches Abenteuer geschrieben. Es soll hier nicht zu viel verraten werden, aber was es hier unten zu entdecken gibt, entschädigt doch in gewisser Weise für die Strapazen, die man in dem Hauptteil mit den Beschreibungen jedes einzelnen Hauses zu erdulden hatte. Übrigens: Auch wenn dies das Finale der Kampagne darstellt, hat es eigentlich gar nichts mehr mit dem Abenteuer zu tun, mit dem der Dunwich-Band begonnen hatte. Hat der Spielleiter sich nämlich mühsam die einzelnen Abschnitte zusammengestückelt, die aus der Fülle der Einzelbeschreibungen zu seinem Abenteuer gehörten und nicht etwa zu irgendwelchen Subquests, mußte er feststellen, daß es ziemlich im Sande verläuft. Irgendwie drängt sich der Verdacht auf, daß es nur die Charaktere nach Dunwich locken wollte, und nichts weiter.

Insgesamt hinterläßt der Dunwich-Band ein zwiespältiges Bild. Die Beschreibungen sind wirklich gelungen und beim Leser bleibt auch die Atmosphäre von Degeneration und Verfall gut zurück. Nur ist die Verquickung von Abenteuer und Quellenband gründlich mißlungen. Das Abenteuer (oder die Abenteuer, wenn man die Unterquesten einbezieht) muß man im Quellenteil förmlich suchen, was bei der Fülle der Schauplatzbeschreibungen oft nicht leicht ist. Dabei fehlen oft weiterführende Hinweise darauf, wie das betreffende Abenteuer weitergeht, oder wo überhaupt die weiterführenden Begegnungen zu finden sind. Es gibt eigentlich nur einen Weg, die Abenteuer präsentieren zu können: Der Spielleiter muß den Dunwich-Band wirklich auswendig kennen! Er muß alle Unterquesten genau im Kopf haben, wissen, wo er die weiterführenden Begegnungen findet, und sich auch schon Gedanken gemacht haben, wie er sie präsentieren möchte. Das ist ein ungeheurer Arbeitsaufwand. Der minimiert hätte werden können, wenn man auf herkömmliche Weise zwischen Abenteuer und Hintergrundband getrennt hätte. Dann hätte man die Abenteuer nämlich komplett und verständlich darlegen können, und dem Spielleiter die Aufgabe abnehmen können, seine Abenteuer aus dem Band zusammenzusuchen (z.B. könnte eine Subqueste mit den Gebäuden 56, 472 und 902 zusammenhängen - und wenn das nicht dabeisteht, dann viel Spaß beim Suchen!).

Was ebenfalls vollkommen mißlungen ist, das ist die Karte der Gegend. Diese ist nicht nur relativ klein, sondern man war zudem der Meinung, Wälder dadurch einzuzeichnen zu müssen, daß man mit dem Stift enge Kringel macht. Von bergiger Landschaft unterscheidet sich dies nur dadurch, daß hier dieselben Kringel nur noch enger gezeichnet sind. Wer die Gegend von Dunwich kennt, weiß aber, daß hier Wald und Berge die dominierenden Geländemerkmale sind. So sieht auch die Karte aus: vollkommen mit engem Gekringel bedeckt, zwischen dem man weitere Details kaum erkennen kann. Insb. wird schwer ersichtlich, wo Geländeerhebungen sind und wo Täler. Für das Spiel ist die Karte eigentlich unbrauchbar, zumal man am Spieltisch ja auch nicht gerade mit der Nase darübersitzt. Von weiter weg sieht die Karte aber nur noch wie ein winziges Gekritzel aus. Lösungen wären einmal, die Karte auf mehrfache Größe zu kopieren und farbig, unterschieden nach Geländemerkmalen auszumalen. Oder man kopiert die 9 Einzelkarten aus dem Kampagnenband heraus und klebt diese zu einer großen Karte zusammen. Der Vorteil ist, daß hier nicht so ein unübersichtliches Gekringel herrscht und man auch mal Details erkennen kann. Leider sieht die auf diese Weise erstellte Karte etwas langweilig aus, so daß es angebracht ist, auch diese zu kolorieren.

Sie sehen schon, um die Dunwich-Kampagne wirklich gut präsentieren zu können, ist viel Zeitaufwand erforderlich. Nicht nur ist es angebracht, eine Karte zu präparieren, sondern zudem muß man als Spielleiter eigentlich auch noch den gesamten Band auswendig im Kopf haben. Oder man nimmt Lücken in Kauf, pickt sich einzelne Details heraus und schickt die Charaktere bald in die Unterwelt, die wenigstens verständlich und zusammenhängend präsentiert wird.
Wenn ich nicht Dunwich und die Umgegend schon immer besonders ansprechend und atmosphärisch gefunden hätte, würde ich wohl gar nicht erst darüber nachdenken, diesen Berg von Arbeit anzugehen. So aber werde ich es wohl tun.

Frank Heller

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