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Thomas Ligotti: Lovecrafts würdigster Nachfolger?
ine gewagte Frage, deren Antwort mir jedoch sehr leicht
erscheint: Ligotti und Lovecraft haben wenig gemeinsam und sind
sich doch so ähnlich. Ligotti schreibt nicht den Mythos fort
(Ausnahmen, nämlich einzelne, speziell HPL gewidmete Stories,
bestätigen die Regel), den Lovecraft entwickelte, auch sein
Stil in der Schilderung von seltsamen Begebenheiten, Personen und
Orten ist gänzlich anders (bestenfalls könnte man diesen
Stil als eine "moderne" Art des Lovecraftschen, in "moderner"
Sprache bezeichnnen, wenn man denn unbedingt vergleichen will).
In Deutschland kennen wahrscheinlich, und leider!, nur vergleichsweise wenig Freunde der phantastischen und unheimlichen Literatur die Werke dieses ungewöhnlichen Amerikaners. Kein Wunder, sind doch auch erst weniger seiner Geschichten in deutscher Übersetzung erhältlich! Zuerst erschien bei DuMont der Band "Die Sekte des Idioten" (1996??), mittlerweile aber längst vergriffen (wer noch eins hat: Will haben!!!!). Erst Frank Festa von der Edition Metzengerstein (jetzt Teil des Blitz-Verlags) ist es zu verdanken, daß Ligotti auch in Deutschland besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. So erschien innerhalb der Edition Metzengerstein der Band " ![]() Kürzlich in limitierter und von Ligotti und H. R. Giger signierter Auflage erschien "In einer fremden Stadt, in einem fremden Land", vier exzellente Geschichten in einem exzellenten Hardcover, daß von einem exklusiv von H. R. Giger gestalteten Titelumschlag geziert wird (Rezension in dieser Ausgabe). Das ist aber im Moment auch alles, was der deutsche Ligotti-hungrige
zum Verschlingen bekommt, abgesehen von einer weiteren hervorragenden
Story in "H.
P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Band 2" (ebenfalls
Blitz-Verlag). Zwar ist Ligotti kein Vielschreiber mit ellenlanger
Bibliographie, doch einiges mehr hat er schon verfaßt: Ob man es nun öffentlichkeitsscheu, zurückgezogen oder schüchtern nennt: Ligotti ist keiner von denen, die durch das Land reisen und Autogrammstunden geben. Thomas Ligotti, geb. am 9. Juli 1953 in Detroit, Michigan, schreibt seine Geschichten mit der Hand, ohne Computer oder Schreibmaschine. Die vergangenen zwanzig Jahre arbeitete er für die renommierte "Gale Group", ein Verlag für Nachschlage- und Sammelwerke zu Literatur- und Literaturkritik. Und auch, wenn es andere Gerüchte gibt: Thomas Ligotti ist kein Pseudonym für einen anderen Autor, der Mann existiert wirklich! Wie hat er es aber nun geschafft, eine solche Anhängerschaft zu gewinnen, gleichsam unter Kritikern wie "einfachen Lesern"? Warum nennt ihn Frank Festa in seinem Vorwort in "Teatro Grottesco" einen "Poet der Dunklen Träume"? Wie kommt es zu den Vergleichen mit den Werken Edgar Allan Poes und H. P. Lovecrafts, die häufig angestellt werden? Zweifellos, und das sagt er auch selbst, haben diese beiden Autoren
(und einige mehr) nicht unbedeutenden Einfluß auf sein eigenes
Schaffen: Mit diesen Worten beschreibt Ligotti auch selbst am besten, welche Art von Geschichten er schreibt. Man kann sie abgedreht, psychologisch, kafkaesk, surreal, unwirklich, furchterregend und wahrscheinlich noch vieles mehr bezeichnen, und das alles trifft sicherlich auch zu, zumal der eine Leser andere Empfindungen verspüren mag als ein anderer. In der Thomas Ligotti-FAQ (http://www.longshadows.com/ligotti) wird der Begriff "nihilistische Kurzgeschichte" als zutreffendste Bezeichnung geprägt. Das faßt es in der Tat gut zusammen, denn eines haben Ligottis Geschichten ganz sicher nicht: ein Happy Ending. Das ganz speziell H. P. Lovecraft einen besonderen, wenn auch nicht unbedingt den größten Einfluß auf ihn hatte, ist kein Geheimnis. Dieser Einfluß bezieht sich aber weniger auf sein Schreiben, als vielmehr darauf, daß Lovecrafts Werke der Auslöser für seine schriftstellerische Karriere für ihn darstellen. Wie Ligotti sagt, "interessiert mich das Übernatürliche nur unter dem erfahrenden Aspekt, als Kraft die unsere Leben zerstört, und als Symbol für den monströsen Wahnsinn in allem Schaffen". Diese Philosophie, inspiriert von Lovecrafts Geschichten, stellt wenigstens einen indirekten Einfluß auf seine eigenen Werke dar. Und natürlich ist es als ehrlichen Tribut an Lovecrafts Schaffen zu verstehen, daß Ligotti durchaus auch die eine oder andere Mythos-Geschichte, klar als solche zu erkennen, vorweisen kann. Das er auch diese dann mit seinem ganz eigenen Touch versieht, spricht für seine Kreativität im Umgang mit dem Unwirklichen und Zerstörenden in unserem Leben. Übrigens: "Das Tagebuch des J. P. Drapeau" war Bestandteil der legendären Call of Cthulhu-Kampagne "Horror on the Orient-Express"! Eine exzellente Wahl, die ich als Spielleiter noch um "Die Bibliothek von Byzanz" erweitern würde, paßt wunderbar in diese Kampagne... Ich möchte diese kurze Vorstellung des wahrscheinlich einzigen
modernen Autors, der es schafft, bei seinen Lesern echtes, tiefst
empfundenes Unbehagen und sogar Furcht zu erzeugen, mit einem kurzen
Auszug aus "In einer fremden Stadt, in einem frenden Land"
beschließen. Andere als ich haben wesentlich interessantere
Essays über Ligotti verfaßt, hier empfehle ich besonders
die bereits erwähnten Bücher aus dem Blitz-Verlag. Beste
Quellen im Netz, allerdings englischsprachig, sind
Ingo Ahrens |
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