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I

m Forum gibt es heute ein Interview mit Heiko Gill, daß ich kürzlich mit ihm per e-Mail über sein bei Oswald Morden Entertainment (OMEN) erschienenes Abenteuer "New Eden" geführt habe. Zu diesem Abenteuer gibt es übrigens auch ein Update bei den Rezensionen.Bestellt werden kann "New Eden" übrigens auch über den Link in dem linken Menüframe!

Vorab schon mal herzlichen Dank an Heiko für die Mühe, ebenso an Arne Niederhut von OMEN für das Zustandekommen des Interviews!

 F.

Heiko, erzähl was über dich, wie alt bist du, was arbeitest du "normalerweise", wie kamst du zu Call of Cthulhu?

 A.

Alter 36, hauptberuflich Beamter der Stadtverwaltung, z. Zt. Single; bezogen auf Kleidungs- und Musikgeschmack „Gruftie", Liebhaber von Horrorromanen und -filmen.
Den Cthulhu Mythos lernte ich ’79 kennen (die guten alten Suhrkamp Taschenbücher...), bei einer USA-Reise entdeckte ich ’85 nicht nur die Existenz von Rollenspielen, sondern auch zu meiner Begeisterung die damals 2. Auflage von CoC. „Der Rest ist Geschichte..." Naja, es dauerte bis ’87, bis ich endlich mein erstes Abenteuer leitete. Seitdem führe ich jedoch eine regelmäßige Spielerunde, die noch immer fast in der ursprünglichen Zusammensetzung fortbesteht.

  F.

Wie läuft eine Abenteuergestaltung (bei dir...) ab? Setzt du dich einfach hin und schreibt drauflos? Wie lange dauerte die Arbeit an New Eden? Gab es zuvor schon andere Publikationen?

  A.

Zunächst einmal ist New Eden mein „Erstling". Natürlich habe ich im Laufe der recht langen Zeit als Keeper hin und wieder völlig eigene Abenteuer entwickelt, doch die wurden natürlich nicht so weit schriftlich fixiert, daß ein dritter damit zurecht gekommen wäre... Der Weltöffentlichkeit bin ich bisher nur zweimal entgegengetreten: auf den Cons „Hannover spielt". Dabei leitete ich selbstersonnene CoC-Abenteuer, deren guter Anklang mir den Mut gaben, „irgendwann" etwas zu veröffentlichen.
Meine eigenen Abenteuer bedurften zunächst einer wie auch immer gearteten Inspiration. Das konnte eine historische Person (z. B. Mata Hari vor der Exekution) oder Begebenheit sein (z. B. die Ripper – Morde), eine noch so billige Filmhandlung (z. B. „Ilsa – die Tigerin") oder Romanvorlage... (z. B. „Sieben" von Mark Frost). Dann geht alles eine Zeitlang wie von selbst, bis das Rohgerüst steht (ich überlege mir dabei hauptsächlich, was ich selbst spannend und interessant finden würde, und suche nach einer möglichst deutlichen Differenzierung von den zahlreichen existierenden Veröffentlichungen). In der „Feinabstimmung" (Daten von NSCs und Monstern etc.) muß man sich letztendlich an der Spielergruppe orientieren, die das Abenteuer bestehen soll. Es muß alles irgendwie lösbar sein, aber immer die Gefahr der Unüberwindlichkeit drohen (halt typisch Cthulhu)...
In seiner „Urfassung" war New Eden im Sommer ’94 Bestandteil meiner laufenden Kampagne, damals gab es nicht nur tatsächlich vorab das Abenteuer in Ägypten („Thoth’s Dagger", zuletzt veröffentlicht im „Cthulhu Casebook", Chaosium), sondern auch mehrere Bezüge zu den „Hütern des Manwantara" und Nyogtha, welche ich für die veröffentlichte Fassung entsprechend anpassen mußte. Seinerzeit brauchte ich für die spielbare Fassung etwa einen Monat (damals gab es tatsächlich Tabellen für die Lebenserwartung jedes einzelnen Gefangenen...). Ab Entscheidung, New Eden zu veröffentlichen, bis zur Fertigstellung benötigte ich ca. zwei Monate. Und hätte ich nicht irgendwann gemeint, nun gibt es genug Verwicklungen, würde ich heute noch daran sitzen und irgend ein Detail verfeinern...

  F.

Wie kam der Kontakt zu OMEN zustande?

  A.

Ich kannte Arne N. noch aus Hannover. Er nahm im Frühjahr ’98 Kontakt zu mir auf und fragte, ob ich ein Abenteuer für OMEN schreiben würde. So gesehen kam der Berg zum Propheten, oder ist es doch umgekehrt? Jedenfalls war das DIE Gelegenheit, einem lang gehegten Wunsch endlich Taten folgen zu lassen.

  F.

Und woher das Thema „Burenkrieg"? Persönliches Interesse?

  A.

New Edenentwickelte sich ursprünglich als Bestandteil meiner eigenen „ewigen Kampagne" (s.o.). Als langjähriger Keeper war und bin ich immer auf der Suche nach sich von den bisherigen Abenteuern unterscheidenden Plots. Jeder Spieler, der lange genug CoC spielt, wurde mit zahllosen Familienflüchen, dubiosen Kulten, falschen Mordanklagen und Freunden in Not konfrontiert.
Sehr wichtig ist mir immer ein zumindest geringer Bezug zu realen Ereignissen, Personen oder Schauplätzen (ein wunderbares Hilfsmittel ist dabei die „Chronik des 20. Jahrhunderts"). Und 1901 war nun mal der Burenkrieg. Welcher Keeper könnte sich eine sich so sehr von „normalen" Hintergrundbedingungen unterscheidende Ausgangssituation entgehen lassen? Um es also auf den Punkt zu bringen: die extrem ungewöhnliche Situation des Burenkrieges hatte mich seinerzeit „gepackt". Es war die Möglichkeit etwas ganz anders präsentieren zu können.

  F.

Historische Ereignisse reizen mich persönlich auch, nur würde ich den Mythos viel direkter einbeziehen, direkt beteiligt an bedeutungsvollen Geschehnissen (natürlich nicht offensichtlich). Warum sollte nicht in Wahrheit eine Mythos-Kreatur für den einen oder anderen Krieg oder ein Attentat verantworlich sein? Wäre dies nicht reizvoller als lediglich eine Statistenrolle, so abwechslungsreich das auch sein mag?

  A.

Ich denke, daß die ideale Einbindung des Mythos in echte Geschnisse super subtil sein muß. Gerade das Unfaßbare der Großen Alten, das sie so sehr von den herkömmlichen "bösen Monstern aus der Hölle, die der armen menschheit so übel mitspielen wollen" unterscheiden könnte, wird in zahlreichen
Veröffentlichungen nicht richtig gewürdigt. Das "derlethsche" Schwarz-Weiß dominiert m. E. viel zu oft. Die "lovecraftsche" Welt bedeutet doch vor allem, daß die Menschen den großen Alten völlig Wurscht sind (soweit wir es erfassen können). Und die fremden Rassen (Mi-Go, Deep Ones...) halten sich von den Menschen i. d. R. fern. Insofern ist eine direkte Einmischung in
menschliche Belange nicht sehr naheliegend (die konsequente Ausnutzung bestimmter Situationen steht auf einem anderen Blatt). Wohl aber stimme ich zu, daß eine Einmischung als Spielkonzept denkbar wäre. Aber warum nicht in umgekehrter Weise --- wäre es da nicht viel verwirrender und beunruhigender, wenn die Mythos-Kreaturen Drähte ziehen, um Kriege o. ä. zu verhindern? (Ich liebe es, wenn die Spieler vor die Frage gestellt werden, ob sie selbst womöglich "die Bösen" sein könnten. Kommt selten vor, ist dann aber um so
schöner).

  F.

Wie empfindest du die Kritik zu New Eden im Arkham Chronicle? Fair? Unfair?

  A.

Die Kritik hat mich sehr gefreut, auch wenn sie nicht nur „eitel Sonnenschein" ist. Die angesprochenen Kritikpunkte haben ihre Berechtigung, bieten zumindest eine Diskussionsgrundlage. Und das differenzierte Fazit der Kritik empfinde ich persönlich durchaus als „Lob". Denn danach ist New Eden genau das, was es auch sein sollte...

  F.

Einige Kritikpunkte sind darin ja angesprochen werden; speziell die inhaltlichen sind dabei natürlich (hoffentlich) von deinem persönlichen Interesse.
- Brisantes Thema
- Kaum Mythos-Bezug
- Übertrieben brutale Szenen (Kind im Schrank bspw.)
Wie äußerst du dich zu dieser Kritik?

  A.

Ganz so brisant finde ich das Thema eigentlich gar nicht. Der Schauplatz ist ja gerade nicht ein deutsches oder sowjetisches Gefangenenlager (dort könnte schnell eine politische Komponente in den Vordergrund rücken, die überhaupt nichts mit dem Abenteuer zu tun hätte). Natürlich wird den Spielern mit glühenden Nadeln in die Haut geritzt, daß die schöne heile Welt, die in anderen Abenteuer vor den Bösen beschützt werden muß, in Wirklichkeit selbst verdammt dreckig sein kann. Eine Erkenntnis, zu den man auch ruhig bei CoC kommen darf, oder nicht? Der verhältnismäßig geringe Mythos-Bezug ist vollkommen beabsichtigt. Zum einen können dadurch auch sehr altgediente Cthulhu-Spieler noch einige Überraschungen erleben – daß nämlich die schlimmsten Wesen des Abenteuers nicht unbedingt die Kultisten und ihr cthuloides Beiwerk sind. Aus schwarz-weiß wird „schwarz-schwärzer-am schwärzesten". Und wenn schließlich der Bezug erkannt wird – mit wem soll man sich verbünden, um dagegen vorzugehen? Eine Gewissensfrage, die sich i. d. R. kaum stellen würde. Zum anderen ist es in meinen Augen genau die Durchtriebenheit der „Hüter", eine Umgebung zu finden, in welcher sie im Verborgenen ihren „Geschäften" nachgehen können, die einen Kult halbwegs glaubhaft machen kann. Die Brutalität verschiedener Szenen geht mit obigen Ausführungen einher. Zunächst dienen natürlich verschiedene Ereignisse dazu, die Spieler in einem möglichen Freund – Feind – Gefüge Achterbahn fahren zu lassen. („Oh, der ist aber nett." „Was? Ist mir schlecht") Dabei bin ich bewußt an die Grenze der Belastbarkeit gegangen. In New Eden werden manchmal Dinge deutlich ausgesprochen, die sonst nur sehr vorsichtig formuliert werden, aber eigentlich genauso schlimm sind. Nur daß es den Spielern in New Eden hoffentlich schwerer fällt, ekelhafte Ereignisse mit dummen (sorry, coolen) Sprüchen zu kommentieren. Und weder Große Alte noch böse Menschen sind Schmuse- oder Schmunzelmonster.

  F.

Was ist dir selbst als Spieler/Leiter lieber? Mythos- oder Non-Mythos-Abenteuer?

  A.

Auf alle Fälle Mythos-Abenteuer. Sonst könnte man ja „Call of Capone" spielen. Der nackte Mythos-Anteil eines Abenteuers kann aber ruhig gering sein (ich mochte z. B. „Thunder in the Blood" in End of the World sehr gern).

  F.

Werden zukünftige Abenteuer von dir ähnlich geartet sein?

  A.

Ja und nein. Konkret geplant ist noch nichts, aber wenn es dazu kommen sollte, gibt es wahrscheinlich von einer Delegation des Vatikans zu berichten, die sich für die Abschaffung des legalen Selbstmordes in einem mittelamerikanischen Land einsetzen soll. Auch mag von Interesse sein, welches Schicksal gewisse hübsche Chinesinnen erwartete, nachdem sie eine bestimmte Drachentätowierung bekamen. Und die Geschichte einer geheimen Agentengruppe im ersten Weltkrieg steht auf einem anderen Blatt...
Also Ideen gibt es genug. Einige eher für vorgefertigte SCs geeignet, einige „für alle". Die Plots können sehr unterschiedlich, der Mythosbezug weiterhin nicht allzu offenkundig sein. Vor allem möchte ich Abenteuer schreiben, die sich von den bereits erhältlichen erkennbar unterscheiden. Ob es gelingt?

  F.

WIe ist das sonstige Feedback zu New Eden von anderen Seiten: eher positiv, negativ oder durchwachsen?

  A.

„Offizielles" Feedback hat mich eigentlich noch nicht erreicht. Vielleicht entwicklt sich ja über den Chronicle eine Diskussionsrunde? CoC-Keeper aus meinem weiteren Bekanntenkreis haben sich positiv geäußert. Eine Annekdote am Rande: im Spieleladen (Hannover List) blätterte ein Kunde, welcher mich flüchtig kennt, New Eden durch. Nachdem er ein halbes Dutzend mal ausgerufen hatte: „Oh Mann, das ist ja ein Abenteuer für den Gill", wies ihn der Inhaber hin: „eigentlich ist es von dem Gill..."

  F.

Lt. OMEN verkauft sich New Eden bisher nicht so gut. Worauf führst du selbst dies zurück? Das Abenteuer selbst, das System an sich oder andere Faktoren?

  A.

Das Hauptproblem dürfte sein, daß es ein Abenteuer ohne aktuell auf Deutsch zu erwerbendes Regelwerk ist. Damit werden Neueinsteiger (für die New Eden aber ohnehin weniger gedacht sein kann) abgeschreckt. Dann folgt die Problematik des Zeitpunktes 1901. Möchte man New Eden nicht
als "Stand-alone" spielen, kann man es nur schwer in eine Kampagne einbinden. Und da es weitaus mehr Leute gibt, die die 20er als Hintergrund verwenden, als Gaslight-Spieler, liegt 1901 sehr weit ab vom Schuß. Und schließlich hat CoC noch immer nicht den Platz im RPG-Pantheon, der ihm eigentlich zustehehn würde. D. h., der CoC - Mark ist vergleichsweise gering gegenüber Vampire etc. An dem Abenteuerverlauf an sich kann es eigentlich nicht liegen, oder?
Ich wüßte natürlich gern, wie New Eden in den Spielerunden ankommt...

  F.

Was versprichst du dir von dem neuen Launch des Cthulhu-Rollenspiels in Deutschland?

  A.

Ich bleibe zunächst skeptisch. Es wurde ja schon mehrmals versucht und war nie von Dauer. Ob der heutige Markt sich so sehr zugunsten von CoC verbessert hat, bleibt abzuwarten. Wünschenwert wäre es natürlich.

  F.

Wie ist dein Kontakt zur deutschen Szene?

  A.

Kontakt? Szene? Ist da etwas, das ich wissen sollte?! Oder anders gesagt: der Kontakt ist sehr begrenzt.

  F.

Jetzt mal Kritik von dir: Wie beurteilst du den Arkham Chronicle?

  A.

Eine gute Idee, das Magazin online an die Öffentlichkeit zu bringen. Sicherlich wird dadurch ein Vielfaches an Interessenten erreicht. Inhaltlich gefällt mit die 1. Ausgabe ebenfalls. Wenn sich das Niveau hält, bin ich zufrieden.

Interview per e-Mail mit Heiko Gill, Ende 98/Anfang 99
für den Arkham Chronicle von Ingo Ahrens.
 
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