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atsächlich haben wir diesmal eine shorte Story anzubieten im Storyboard! Das muß mehr werden, Leute, also macht mit! Schickt mir eure geistigen Ergüsse!

Wie Roland die Welt rettete



Wie Roland die Welt rettete

von Gerhard Schmeußer

Roland stieg die steile Treppe zu dem düsteren Loch hinab, in dem Enrico normalerweise seine Freizeit verbrachte. „Hallo Enrico, du alte Kellerratte, über was brütest Du den heute?" Enrico war eigentlich sogar ein wenig älter als Roland aber wenn man die beiden nebeneinander gestellt hätte, hätte man Enrico eher für Rolands kleinen Bruder gehalten. Jeder der die beiden kannte wunderte sich, wieso sich Roland mit seiner lässigen Art und dem Aussehen als wäre er dem Riesenposter einer Jugendzeitschrift entsprungen, ausgerechnet den schlaksigen und schüchternen Enrico als Freund ausgesucht hatte. Im Grunde war die Antwort ganz einfach die, daß Roland es nur mit jemanden aushalten konnte, der ihm das Gefühl gab, der Überlegene zu sein. Die beiden hatten sich auf dem Gymnasium kennengelernt als Roland, der neu in die Stadt kam, dringend jemand gesucht hatte, der ihm ein wenig Unterstützung bei seinem Abitur gab - denn eines war sicher, während Roland die Muskeln hatte, war Enrico das Gehirn der beiden. Bekanntlich ist eine solche Kombination von Fähigkeiten unschlagbar und auf diese Weise kam Enrico, der allgemein für einen weltfremden Einsiedler gehalten wurde und der die meiste Zeit in seinem Hobbykeller irgendwelchen obskuren Studien nachging, zu einem richtigen Freund.

Enrico blinzelte in gegen Licht, in dem Roland durch die offene Türe hereinkam und schlug hastig den Deckel eines uralten und halbzerfledderten Buches zu, daß Staub zwischen den Seiten hervorwirbelte. Roland verzog das Gesicht „Um Himmels willen, was liest Du denn hier schon wieder für ein abgefahrenes Zeug?!" „Das ist kein abgefahrenes Zeug sondern uraltes Wissen" entgegnete Enrico ein wenig unbeholfen „hierin stehen Formeln, die unser ganzes Weltbild verändern könnten".
„Für’s erste wäre mir schon geholfen, wenn Du mir die Formeln der Physikhausaufgabe lösen könntest" lächelte Roland und legte ein ihm ein dünnes weißes Schulbuch mit der Aufschrift „Spezielle Relativätstheorie" auf den hoffnungslos mit Notizbüchern und Briefen aus aller Welt überladenen Schreibtisch. „Du weißt doch, wie schlecht ich seit der letzten Klausur dastehe."
Er überflog die Briefköpfe die vor ihm ausgebreitet waren. Sie stammten von Universitäten und Instituten aus aller Herren Länder. Woher Enrico nur diese ganzen Brieffreunde hatte, konnte sich Roland beim besten Willen nicht vorstellen, „Kein Wunder, daß der Junge nie aus seinen 4 Wänden herauskommt" dachte er sich, während er Enrico die Nummer der Aufgabe gab. Sein Freund überflog kurz den Text der Aufgabe und seufzte „Mann, im Moment habe ich wirklich keine Zeit für solche Trivialitäten, ich habe etwas Interessantes entdeckt".
Um Enrico einen Gefallen zu tun während dieser wieselflink ein paar Gleichungen auf ein Blatt Papier warf (wenn er nur nicht immer so schmieren würde, er würde noch glatt falsch abschreiben), frage Roland um ihn bei Laune zu halten nach der genauen Natur seiner Entdeckungen. Enrico setzte den Stift ab und reichte ihm das Ergebnis „Hast Du schon einmal etwas von der Kontinuumshypthese gehört? Erst 1963 konnte Paul Cohen beweisen, daß die Antwort davon abhängt welches logische Axiomensystem man benutzt, aber schon Cantor konnte zeigen, daß es Mengen gibt, die unendlicher sind als die reellen Zahlen.." spätestens hier verstand Roland nur noch Bahnhof. Enrico faselte noch ein paar Minuten über gewaltige Energien die man mittels bestimmter Formeln entfesseln könnte, Yog Sototh, Raumzeit Kontinuum, Azatoth und so weiter, bis es Roland zu langweilig wurde:
„Hey, ich habe einen suuuper Vorschlag! Kathrin und ihre Schwester gehen heute abend zu dem Rockkonzert in der Schule, wir könnten sie von zuhause abholen!"

Eigentlich brauchte Roland nur eine Begleitperson, da sein neuester Schwarm Kathrin nie ohne ihre jüngere Schwester Yvonne ausging. Enrico war die optimale Besetzung für eine solche Rolle, da er keine Konkurrenz für ihn darstellen würde und in seinen Augen außerdem völlig blind für solche Dinge.
Enrico war unschlüssig „Ich weiß nicht, wenn ich heute das Problem noch knacke, dann kann ich die Theorie sofort bestätigen."
„Ach komm!" Roland setzte seine Gönnermiene auf „ein wenig Spaß kann Dir auch nicht schaden und Deine Forschungen laufen Dir nicht davon!" (wobei er für sich hinzufügte „Die Mädels aber sehr wohl").
Er spürte wie Enricos Wiederstand brach „..und wer weiß, vielleicht fällt Dir in der Zwischenzeit noch was ein; es ist nämlich ganz gut wenn man vor einer wichtigen Sache eine Pause macht" wobei er über seine eigenen Argumente staunte, schließlich hatte er noch nie eine Pause vor einer „wichtigen Sache" gemacht.

Schön und gut, Enrico legte ein wenig bedauernd seine Bücher beiseite und ging mit Roland zu Kathrin und Yvonne. Eigentlich fand er Yvonne ganz nett und sie ihn auch, weshalb er seinen Beweis um ein paar Tage verschob und auch in der nächsten Zeit hatte er zunehmend andere Interessen. Schließlich geriet sein Plan in Vergessenheit und das ist auch gut so, denn wer weiß was Enrico an diesem Abend mit seinen Formeln und Yog Sototh alles angestellt hätte. Vielleicht hätte er die Welt verändert oder gar jene gewaltigen Energien freigesetzt.
Aber sein Freund Roland ging ja mit ihm aus um ihm Mädchen zu zeigen.

(c) Gerhard Schmeusser

 
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