Das Tor nach Leng

Die Nürnberger hängen keinen konfrontiert die Charaktere (wieder einmal) mit den Machenschaften Nyarlathoteps, des kriechenden Chaos. Tritt Nyarlathotep andernorts als zerstörerische und blutrünstige Kraft auf, so gibt es auch mächtige Anhänger dieses vorzeitlichen Gottes, die wesentlich subtiler vorgehen. Einer davon ist Heinrich Glaubner, seines Zeichens Lehrer an der Volksschule Marientor in Nürnberg, wenn auch nicht daran gezweifelt werden sollte, daß dieser Mann schon wesentlich mehr gesehen hat als die Mauern und Gassen Nürnbergs und des Deutschen Reiches. Was zieht nun so einen Mann nach ausgerechnet nach Nürnberg? Es ist ein Tor in die Traumlande, genauer gesagt auf die schreckliche, öde Ebene von Leng, in der die Fastmenschlichen seit Äonen obskur tanzen und springen, ein Tor, das nun schon Jahrtausende neben dem Burgberg in der Luft hängt, unbemerkt von den meisten Bewohnern dieser Gegend. Nur hin und wieder beeinflußte es das Leben einiger weniger Begabter, Künstler zumeist, die dann Kunstwerke ungeahnter Intensität, aber morbider Prägung schufen (z.B. Dürers Ritter, Tod und Teufel oder das Sebaldusgrab von Peter Vischer).

Wer dieses Tor erschuf, oder zu welchen Zwecken, ob es gar Nyarlathotep selbst war, verliert sich in den Anfängen der menschlichen Geschichtsschreibung. Ob das eine oder andere Mythosbuch hierüber Aufschluß gibt, bleibt dem Spielleiter überlassen, da in diesem Szenario aber keine solchen auftauchen, spielt das auch eher eine untergeordnete Rolle. Das Wissen um dieses Tor und die konkreten Anrufungen, die zu einer gefahrlosen Beschreitung notwendig sind, gingen mit dem Raubritter Eppelein verloren. Um den Raubritter Eppelein rankt sich ein fränkischer Sagenzyklus, in der Eppelein als Schlitzohr und gewitzter, aber nicht bösartiger Mensch dargestellt wird. Die bekannteste Sage beschreibt Eppeleins Sprung auf einem Pferd in (manchmal auch über) den Burggraben, um seiner Hinrichtung zu entgehen. Tatsächlich hat sich diese Geschichte auch fast so zugetragen. der einzige Unterschied bestand darin, daß Eppelein nicht auf einem Pferd entkam, sondern kurz vor dem Sprung einen Shantak, einen jener garstigen, pferdeähnlichen Riesenvögel, die die Gebirge um Leng bewachen, zwang, in sein Roß einzufahren, womit er dann den Sprung durch das Traumtor wagte. Die zurückgebliebenen Nürnberger, und nicht jeder hatte das Schauspiel mit eignen Augen verfolgen können, erschraken sich sehr, und der Vorgang wurde vertuscht, die wenigen, die reden wollten, mundtot gemacht. Auf diese Weise entstand die heutige Sage. Eppelein wurde mit noch stärkerem Nachdruck gejagt und 9 Jahre später, 1381, in Neumarkt in der Oberpfalz gehängt. Eppelein soll damals bereits über 70 Jahre alt gewesen sein.

Das Tor wurde erst 1925 von Heinrich Glaubner wiederentdeckt, nachdem er einige ausgedehnte Reisen durch die Traumlande der Erde (und darüber hinaus) gemacht hatte und bei einer Audienz mit dem Hohepriester mit der gelben Seidenmaske, der in einem prähistorischen Kloster über Leng haust und das kriechende Chaos huldigt, auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht wurde. Allein die Tatsache, daß seit dem Besuch Eppeleins in den Traumlanden über 500 Jahre vergangen sind, und die Zeit in den Traumlanden um ein Vielfaches schneller verstreicht, gibt einem zu denken, da der Hohepriester mit der gelben Seidenmaske immer noch derselbe ist...

Welches Abkommen Heinrich Glaubner mit dem Hohepriester traf, oder ob es überhaupt ein solches gab, wird wohl immer unbekannt bleiben. Jedenfalls beschloß Herr Glaubner, die besten und begabtesten Kinder durch dieses Tor zu schicken, wo sie sich auf der anderen Seite langsam in die fastmenschlichen Sklaven der Mondbestien zu verwandeln würden. Daß er bei aller Vorbereitung einen kleinen Fehler beging, nachdem nur das Traumselbst der Kinder hinüber nach Leng wechseln würde, während das wache Selbst in dieser Welt zurückbleibt und damit im Burggraben zerschellt, war Heinrich Glaubner zwar nicht bewußt, er nahm es aber billigend in Kauf. Zumindest aber bildet das den Aufhänger dieses Abenteuers für unsere Spieler.

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