Nürnberg in den 20er Jahren

Obwohl Nürnberg, unter anderem durch Arbeitsbeschaffungsprogramme, die Inflation 1923 relativ gut überstanden hatte, stellte Nürnberg in den 20ern eine politisch tief polarisierte Stadt dar. Regiert wurde Nürnberg von 1920 bis 1933 von Hermann Luppe, einem Gründungsmitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und - interessanterweise - gebürtigem Kieler. Obwohl sich Luppe während seiner gesamten Regierungszeit auf Mehrheiten der staatstragenden MSPD und USPD (ab 1924 wieder zur SPD vereinigt) verlassen konnte (die DDP selbst errang nur ca 5%), was ihm den Vorwurf eines heimlichen Sozialisten einbrachte, wählte Nürnberg nicht nur mit einem doppelt so hohen Stimmenanteil wie der Rest des Reiches die KPD, sondern stellte auch ein stabiles Wählerpotential zwischen 10% und 25% für den völkischen Block, zu dem auch die NSDAP unter dem Volksschullehrer Julius Streicher gehörte. Julius Streicher hatte 1922, also recht früh, die NSDAP-Ortsgruppe Nürnberg gegründet und gab seit 1923 das antisemitische Hetzblatt "Der Stürmer" heraus.
Sein Wahlkampfstil bestand im wesentlichen aus persönlichen Beleidigungen seiner Konkurrenten. So verlor er zwei Verleumdungsklagen gegen Luppe was aber seiner Popularität keinen Abbruch tat. Es kann damit gerechnet werden, daß sich die Anhängerschaft der Nazis in Nürnberg nicht nur aus Arbeitern rekrutierte, sondern auch teile der Mittelschicht umfaßte. Mit Sicherheit stand der Stadtkommissar Heinrich Gareis nicht auf der Seite der Weimarer Republik, was er unter anderem während des Kapp-Putsches 1920 unter Beweis stellte. Im August 1927 und auch 1929 fanden Reichsparteitage der NSDAP im pittoresken Rahmen Nürnbergs statt, die aber weniger wegen ihrer politischen Bedeutung, als wegen der Ausschreitungen rechter Schläger der SA und SS und der Zusammenstöße zwischen rechts- und linksgerichteter Arbeiter, zum Teil mit Schußwaffengebrauch, Beachtung fanden. Besonders die Hinterlassung der Unterkünfte in unordentlichem oder verwüstetem Zustand war den Veranstaltern ein Dorn im Auge, konnte so doch schlecht der "saubere und ordentliche arische Herrenmensch" vorgeführt werden.

Zu den erfreulicheren Dingen gehören die Erfolge des damals legendären Fussballclubs, der 1920, 1921, 1924, 1925 und 1927 die Deutsche Meisterschaft errang und mit den Spielern des Erzfeindes Spielvereinigung Fürth fast ausschließlich die Deutsche Nationalmannschaft stellte.

Zu den kulturellen Einrichtungen gehörten neben zahlreichen Museen (u.a. dem bekannten Germanischen Nationalmuseum), Oper, mehreren Theatern, Varietétheatern, Konzertsälen und Lichtspielhäusern der damals einzige Tiergarten Bayerns im Luitpoldhain.

Nürnbergs Bevölkerung wuchs von 332.000 bei Kriegende auf 412.000 im Jahre 1931, was unter anderem auf zahlreiche Eingemeindungen zurückzuführen ist. Gleichzeitig verringerte sich die Einwohnerzahl der Altstadt wie in anderen Großstädten auch von 52.810 auf 46.200, zeigte also die Tendenz der Bildung einer City. Nürnberg war gut mit - im deutschen Vergleich sehr billigen - Straßenbahnen und Buslinien erschlossen, seit 1922 bestand der Militärflughafen Fürth-Atzenhof, auf dem 1928 1.057 Inlands- und 278 Auslandsflüge starteten. Selbstverständlich verfügte Nürnberg als Eisenbahnknotenpunkt über einen großen und vielbenutzten Bahnhof, der im Übrigen nicht mit dem Bahnhof des Adlers identisch ist, denn dieser fuhr von einem Platz namens Plärrer Richtung Fürth, die Strecke wurde nichts ins deutsche Eisenbahnnetz integriert, sondern bestand als Straßenbahnlinie 1 fort.

Mit dem Palast-Hotel Fürstenhof, Bahnhofstr. 1-3, oder dem Victoria-Hotel, Königstr. 80, stehen dem Besucher zwei Hotels ersten Ranges zur Verfügung, für den leichteren Geldbeutel tut es auch das Deutscher Hof, Frauentorgraben 29 (übrigens Hitlers Stammhotel in Nürnberg) oder das Deutscher Kaiser, Königstr. 55. Daneben gibt es natürlich weitere Hotels aller Preisklassen und unzählige Pensionen.

Die Nürnberger

Die Nürnberger und die franken allgemein sind kein Fremden gegenüber aufgeschlossener Menschenschlag, sondern eher grummelig, mißtrauisch und wenig begeisterungsfähig. Es wird eine ganze Weile dauern, bevor ein waschechter Franke aus sich herausgeht, und dann auch meist unter dem Einfluß alkoholischer Getränke. Häufiger wird es der Fremde erleben, daß sich hinter seinem Rücken über ihn unterhalten wird.

Die gebürtigen Nürnberger sprechen den fränkischen Dialekt, der von Gästen, insbesondere von Norddeutschen, bisweilen schwer verstanden wird, was schon einen Deutsch verstehen Wurf nötig machen kann, und der sich deutlich vom Bayerischen unterscheidet. Mit der Bezeichnung eines Franken als Bayern kann man sich dann auch eine Menge Ärger einhandeln. Wichtig bei der Imitation des fränkischen Dialekts sind das Fehlen harter Konsonanten (d.h. p wird zu b, t zu d, k zu g) und die Lautverschiebung einiger Vokale (a zu o, o zu u, i zu e, ei zu a), das teilweise Verschlucken der letzten Silbe und die ständige Benutzung des sinnlosen Betonugskürzels fei und des Ausrufs des Erstaunens Allmäächd.

Ein Beispiel:
Wichdigg beim Nachmachn von dem frängischen Dialeggd is fei des Fehln von die harddn Buchstahm, da wo des harde be zum weichn be und des hardde de zum weichn de wern und so, waßt scho, und des ma die Selbsdlaude a weng anners aussprichd, und fei sogoar des deilweise Verschluggn von der letztn Silbna. Alles gloar, odder net?

Während Nürnberg auf fränkisch Nämberch heißt, sprechen Angehörige der gebildeteren Schichten häufig von ihrer Heimatstadt als der Noris.

[Zurück] - [Inhalt] - [Weiter]

 
Arkham Chronicle - Das deutsche Cthulhu-Fanzine - Home