Reportage von der SPIEL 98 in Essen

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in jedes Jahr ist es soweit, vier Tage lang toben gegen Ende Oktober in der Gruga-Halle in Essen die Rollen-, Brett-, Karten-, Post-, Tabletop- und Komische-Kleine-Steinchen-Spieler um die Wette.

Letztes Jahr bin ich zwar nicht dort gewesen, ein Grund mehr, mir dieses Spektakel nun nicht entgehen zu lassen - zumal gerüchteweise möglicherweise unter Umständen vielleicht das neue Cthulhu-Regelwerk von Pegasus Press herauskommen sollte! (Um es vorweg zu nehmen: Es ist (noch) NICHT erschienen!) Also begann am Samstag, dem 24. Oktober 1998 die spektakuläre Expedition...

Schon die Zugfahrt mit dem Wochenendticket von Bremen über Smöre-Bröd-Hausen nach Essen sah erste Kontakte mit der jüngeren Spielergeneration. Da wurde auf den Sitzen gegenüber bereits heiß verhandelt, ob er dieses tolle „Magic"-Karte, die er auf der Messe für „mindestens 200 DM" verkaufen wolle, nicht vielleicht doch „mir für 180 DM geben" könnte, quasi als Freundschaftsdienst.
Und da sag’ noch einer, die Jugend gebe ihr Geld nur für Videospiele und Saufen aus...

Die Ankunft in Essen bescherte uns allen wieder proppenvolle U-Bahnen und die erste Sichtung von, in diesem Fall eher peinlich gekleideten, Live-Rollenspielern.
An der Kasse der Grugahalle ging dann alles Ruck-zuck, nur 20 Minuten (ja, nur!) Wartezeit in einer sich bis zum nächsten Stadtteil schlängelnden Schlange, und man war schon (ja, schon!) drinnen.

Hinein ins Gewühl, war die erste Orientierung angesagt. Da ich es nicht einsah, 14 DM für ein Messebuch auszugeben, mußte ich mich an den spärlich aufgehängten Standplänen richten und sah mich (geschätzt) sechs Firmen mit dem Namen „Pegasus" gegenüber.
Die „richtige", nämlich Pegasus Spiele GmbH war bald (ähem) ausfindig gemacht und freudig erblickte ich bereits einige Ausgaben des Arkham Chronicle, die auch an Kunden verteilt wurden! (Hier heißen Dank an Gerhard Schmeußer, der dies bereits für mich an den vorhergehenden Tagen organisiert hat!)

Enttäuschter Blick: Nirgendwo etwas, das nicht so aussah wie ein englisches Cthulhu- Regelwerk. Die Nachfrage bei Christian Hanisch von Pegasus ergab dann, daß man es lieber ordentlich machen wolle, vor Weihnachten solle es aber auf jeden Fall noch erscheinen. Einige weitere interessante Informationen ergaben sich aus dem Gespräch, die ich jedoch unter News nochmal in einem Protokoll zusammengefaßt habe.
Nebenbei bekam ich noch so den Eindruck, als ob das Mythos-Kartenspiel, genauer, die deutsche Variante, den Bach runtergeht, wurde jedenfalls überall eher verramscht als verkauft. Aber das ist ein persönliches Gerücht, jedenfalls weiß ich nichts genaues darüber. Bin halt kein TCG-Spieler und kenne die Szene darum nicht. Egal.

Dennoch bot sich auch Neues, wenn auch an anderen Ständen. OMEN (aka Oswald Morden Entertainment) hatte bereits auf der Homepage im Internet angekündigt, zur Messe ein deutsches Szenario, angesiedelt in der Zeit des Burenkrieges, herauszubringen. Erfreulicherweise war dies auch bei dem, übrigens sehr nett aufgemachten Stand tatsächlich aufzufinden und wurde natürlich ruck-zuck vom Schreiberling eingesackt. Eine Rezension gibt es bereits in dieser Ausgabe!
Ein kurzes Gespräch ergab, daß OMEN bereits in zwei Monaten ein weiteres neues Abenteuer herauszubringen beabsichtige. Von OMEN werden Cthulhu-Spieler wohl noch einiges erwarten können... Und schließlich erklärte man sich bereit, den Arkham Chronicle auch mit zu verteilen bzw. „New Eden" beizulegen.

Blickfang des Standes von „Fantastische Spiele GbR" war eigentlich das SF-Rollenspiel „Space Gothic", das vielleicht auch einigen CoC-Spielern wegen der Bezüge zum Mythos bekannt ist. Allerdings hat sich (leider?) auch hier das Titanic-Fieber niedergelassen und unvermeidlicherweise mit dem Cthulhu-Mythos vermischt. Ergebnis: „Titanic-Inferno", ein weiteres, exzellent aufgemachtes Abenteuer.
Auch dieses wurde umgehend erstanden und - oh Überraschung! - von einem Mann in orangener Schwimmweste und dem Namensschild „Major Chief Greiss" signiert! Meine Glücksgefühle ob dieser unerwarteten Geste hielten sich in Grenzen - wer war dieser Mann? Späteres Blättern in besagtem Abenteuer ergab dann, das es sich um den Autor desselben handelte, nämlich Heiko Greiss. Wow... ;-)
Eine Rezension gibt es dazu natürlich auch schon in dieser Ausgabe!
Wiederum war die Bereitschaft groß, den Arkham Chronicle auch an diesem Stand zu verteilen. Überhaupt kann ich das Verhältnis zwischen den „Firmen" und der „Szene" nur als hervorragend bezeichnen. Liegt das daran, das Firmen wie Pegasus, OMEN und Fantastische Spiele GbR von Spielern und nicht „Vertriebsmenschen" geführt werden?

Das war es auch schon an „neuen" und deutschen Publikationen für den Cthulhu-Spieler. Wer etwas Ausschau gehalten hat, konnte jedoch auch noch einiges an älterem englischen Material abgreifen, und das auch zu teilweise sehr günstigen Preisen! So fand sich beim Imp’s Shop noch ein Exemplar des (eigentlich nie erschienenen) Ars Ludis-Regelwerkes von Cthulhu.
Unter anderem fand ich hier auch ein Exemplar von „Unter Druck", was aber ja noch relativ neu ist. Dabei handelt es sich um eine deutsche Ausgabe des Pagan Publishing-Abenteuers „Grace under pressure", das im Chaosium Digest im Internet einst für Diskussionen ob der Spielbarkeit gesorgt hat. Lt. einem Freund (Kai Crystalla) war der Herausgeber, G&S Verlag, auch auf der Messe. Habe ich aber leider nicht erspäht, schade.
Ansonsten gab es halt reichlich amerikanisches Material, nach dem Motto „Wer will nochmal, wer hat noch nicht?", und das, wie gesagt, recht günstig. Je nach Stand verschieden...

Damit hatte es sich auch schon mit Cthulhu auf der SPIEL 98. Aber da CoC nun nicht alles ist, gab es auch sonst jede Menge zu sehen und zu Menge. In diesem Jahr fand ich keinen Stand mehr mit zig Nintendo, Sega oder Sonstwas-Geräten aufgebaut, die einen mörderischen Lärm verbreiteten - anscheinend zieht sich diese Branche von der Messe zurück?

Die „normalen" Brettspiele waren natürlich am häufigsten vertreten. Es gab Variationen für Schach, neue Brettspiele „für die ganze Familie" (wozu auch das interessanterweise fantasy-angehauchte Spiel des Jahres „Elfenland" gehört), die üblichen Aktionsspiele, Spielzeug und Stofftiere und so weiter. Die Rollenspieler hatten, wie bisher auch, weitestgehend ihre eigene Halle für sich. Der Übergang war aber relativ fließend, keine „Abgrenzung" oder ähnliches, so daß auch „unbedarftes" Publikum hier zu neuen Ufern fand.
Wie üblich besonders belagert waren die Stände von FanPro und den Liverollenspiel- Zubehör-Schmieden. Riesig auch der Platzbedarf von Amigo - die alten Höhlen und Drachen erobern anscheinend eine neue Spielergeneration! Kann jedem Rollenspieler nur Recht sein...

Wer mal einen Blick auf meine private Homepage geworfen hat, weiß vielleicht, daß ich ein Otaku bin, also ein Fan von japanischen Comics/Videos (Manga bzw. Anime). Ich sage das deshalb, weil ich mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich von jedem rosa-bläulich-niedlichen- süßlichen Sailor Moon-Zeug distanzieren möchte (brrrrr...)!!! Ich HASSE Sailor Moon! Ich schaue es mir nie an! NIE! Es widert mich an! Nein, nicht jeder Otaku ist gleichzeitg auch Sailor Moon-Fan! Es gibt auch anderes, besseres, geileres an Mangas als Sailor Moon! Die Gleichung Manga+Anime+Otaku = Sailor Moon stimmt nicht!

Das, äh, mußte ich mal loswerden. Und wehe, einer hänselt mich...

Was hat die Messe denn nun gebracht? Haben sich sechs Stunden Gelatsche und insgesamt acht Stunden Zugfahrt gelohnt? Wenn ja, für wen? Hier das gnadenlose

FAZIT FÜR CTHULHU-SPIELER:
Kein neues Regelwerk. Aber das ist im Grunde auch nicht so schlimm, jedenfalls für den passionierten CoC-Freak - der kennt die Originalregeln ohnehin, so das die neue deutsche Version eher für neues Publikum gedacht ist. Interessanter da schon die neuen deutschen Abenteuer von zwei anderen Firmen - die Szene lebt! Das tat sie schon immer, trotz der ungenügenden deutschen Versorgung mit Material. Aber jetzt beginnt sie wieder aktiv zu werden und aus dem Untergrund hervorzukommen. Ob nun etwa „Goldene Zeiten" für Cthulhu in Deutschland anzubrechen - für ein solches Urteil ist es noch verfrüht. Die Chancen sind da. Wo Pegasus Spiele diese sieht, könnt ihr auch in den News nachlesen.

FAZIT FÜR ROLLEN- UND ANDERE SPIELER:
Das übliche halt. Wenig neues, jedenfalls nichts Spektakuläres. Die KoSim-Szene scheint sich wieder zu erholen, an den Ständen war einiges los in dieser Richtung. Aber auch hier wenig neues, sondern „verramschen" von altem, 2. Hand-Material. Die Table-Toper aus dem Bereich Warhammer & Co. waren auch schon mal stärker vertreten; immerhin gab es hier das Warhammer-Rollenspiel. Bei den Trading-Card-Games war MAGIC natürlich überdeutlich vertreten, dies aber eher in Form von haufenweise rumsitzender Jugendlicher, die ihre wertvollen Karten in Plastikordnern auf dem Schoß feilboten und eigentlich nur im Weg waren. Die Familien- und Denk-Spiele waren wie immer der Schwerpunkt, aber schließlich ist die SPIEL ja auch kein Rollenspiel-Con und so manche interessanten Entdeckungen ließen sich auch in diesem Bereich machen.
Und das Postspiel (eines meiner weiteren Hobbies)? Es siecht, anders kann man das nicht nennen. Hier und da ein Stand, aber beileibe keine Knüller. Wen es interessiert: Monster Island wird von PeliCorn nicht mehr lizensiert! Man will stattdessen ein Spiel mit den gleichen Features programmieren und bis zur SPIEL 99 rausbringen. Na klasse...

Im Grunde also eine typische SPIEL. Für jeden etwas, für keinen gar nichts. Erfreulich, daß die Zahl der Computerspiel- und Shareware-Verramscher zurückgegangen ist, die haben dort eh wenig verloren. Einen Besuch auf jeden Fall wert und auch, wer eigentlich überhaupt nichts spezielles sucht, wird dieses garantiert finden!
Man sieht sich nächstes Jahr! Selber Ort, selbe Zeit...

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