Der Schatz der Templer (14. August 2004)

Der Mythos vom Heiligen Gral ist in den Sagen und Legenden verschiedener Kulturkreise verankert. So finden sich nicht nur keltische und christliche Wurzeln, sondern auch Anleihen in der orientalischen und altägyptischen Mystik.

Die ältesten greifbaren Überlieferungen finden sich wohl im mündlich tradierten Wissen der keltischen Mythologie. Vor allem die Erwähnung von Füllhörnern und Kesseln weisen frappierende Ähnlichkeit mit den Beschreibungen des Grals auf. Ein solcher "Kessel der Fülle" soll sich im Besitz des Titanen Bran befunden haben. Dieser Kessel konnte nicht nur jede erdenkliche Speise hervorbringen, sondern auch Tote wieder zum Leben erwecken. Die spätere christianisierte Legende scheint in der Tat Anleihen in dieser frühen Version zu haben, denn ein Schwager des Joseph von Arimathia und ebenfalls Hüter des Grals wird Bron genannt. Überhaupt vermischen sich in späteren Fassungen der Legende oft christliche Symbolik mit heidnischen Mythen. Darin mag auch der Grund liegen, dass der Gral von der Kirche niemals als Reliquie anerkannt wurde, sondern im Gegenteil als Häresie betrachtet wurde. In der Tat hat die Kirche allen Grund, den Gral mit Zweifel zu betrachten, denn die Legende sagt auch, dass der Kelch aus einem grünen Edelstein (wahrscheinlich ein Onyx) gefertigt wurde, den der Erzengel Luzifer Morgenstern in seiner Krone trug, bevor er sich gegen Gott erhob und dafür zur Strafe in die Hölle verbannt wurde.

Der Heilige Gral? - Quelle: http://www.uidaho.edu Ausgerechnet ein Gegenstand mit solcher Vergangenheit wurde schließlich von Jesus beim Letzten Abendmahl gesegnet und anschließend gar dazu benutzt, das Blut des Heilands unter dem Kreuze aufzufangen. Daher wird der Kelch wohl auch als "Heiliger" Gral bezeichnet.

Irgendwann nach der Kreuzigung muss der Gral schließlich nach England gelangt sein. Wahrscheinlich ist, dass Joseph von Arimathia, angeblich ein enger Vertrauter Jesu, den Kelch mit sich führte, als er in Sachen Zinnhandel ins englische Cornwall reiste. In der Stadt Glastonbury soll er nicht nur die erste christliche Kirche auf englischem Boden gegründet, sondern auch den Gral in einem sicheren Versteck verwahrt haben. Seither, so die Legende, wird das heilige Gefäß durch die Nachfahren Arimathias geschützt.

Doch auch in den Sagen um König Arthur spielt der Gral eine Rolle. So sollen die Ritter der Tafelrunde seinetwegen die Gemeinschaft verlassen und die Welt durchstreift haben. Doch nur wenigen ist es gelungen, dem Gral nahe zu kommen. Darunter den Rittern Galahad, Gawain und schließlich Parzival, der, nachdem er den kranken Gralskönig erlöste, selbst zum neuen Hüter wurde.

Die Tafelrunde - Quelle: http://www.users.globalnet.co.uk Immer wieder werden auch historische Tatsachen mit dem Grals-Mythos verknüpft. So wird z.B. dem Orden der Tempelritter oft unterstellt, seine Ritter seien ebenfalls Gralshüter gewesen. Dies lässt sich wahrscheinlich auf das literarische Werk Wolframs von Eschenbach, einem mittelalterlichen Schriftsteller, der einen der bedeutendsten Gralsromane verfasst hat, zurückführen. Denn bei ihm wird die reine Ritterschar, deren Aufgabe es ist den Gral zu bewachen, mit "Tempeleisen" bezeichnet.

Wie dem auch sei, als der Orden verboten und verfolgt wurde, machten Gerüchte die Runde, die Templer hätten in der Tat Geheimlehren angehangen und ein Idol namens "Baphomet" angebetet, das in der heutigen Literatur oft mit dem Gral gleichgesetzt wird.

Die Templer waren nicht die erste Gemeinschaft, die (angeblich wegen des Grals) unter Anklage der Häresie verfolgt und vernichtet wurden. Schon eine christlich-gnostische Sekte, die Katharer, die man ebenfalls mit dem Gral in Verbindung bringt, fielen der Inquisition zum Opfer. Angeblich brachten einige wenige Brüder während der Belagerung der Katharerfestung Montségur ein geheimnisvolles, heiliges Objekt vor den Häschern des Papstes in Sicherheit. Durchaus möglich, dass dieses Objekt (bei dem es sich um den Gral gehandelt haben könnte) in die Hände von Templern gelangte, die als "Armee in päpstlichen Diensten" an der Belagerung teilgenommen hatten.

Nicht nur diese Spur führt in das Gebiet der Pyrenäen im Süden Frankreichs. Eine frühere Legende berichtet, dass Maria Magdalena nach Frankreich gelangte. Angeblich erwartete sie ein Kind von Jesus; eine Vermutung, die durch einen Übersetzungsfehler ein gewisses Maß an Bedeutung gewinnen könnte. Denn es gibt die Vermutung, dass das französische "Saint Gréal" (Heiliger Gral) eigentlich als "Sang Réal" (Heiliges Blut) gelesen werden müsste (beides wird gleich ausgesprochen). Dann wäre der Gral also in Wahrheit die "Blutlinie", also Nachkommenschaft von Jesus Christus. Angeblich stammte sowohl das Geschlecht der Merowinger, als auch die Königshäuser der Stewarts und Habsburger vom Heiland selbst ab.

Möglicherweise wurde genau dies in den Pergamenten bestätigt, die Berenger Sauniére bei der Restaurierung der alten Dorfkirche von Rennes-le-Château (die übrigens Maria Magdalena eweiht war) fand. Was auch immer der Inhalt dieser Dokumente war, nur wenig später lebte der Priester in einem Luxus, den sich ein einfacher Dorfpfarrer unmöglich leisten konnte. Nicht wenige glauben, dass der gute Mann Schweigegeld vom Vatikan selbst bezog, um das Geheimnis des Stammbaumes Jesu zu wahren.

Da aber bis heute der Inhalt und die Existenz dieser Dokumente umstritten ist, kann über einen Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Reichtum des Pfarrers und dem Geheimnis des Heiligen Grals nur gemutmaßt werden.

Der Heilige Gral? - Quelle: http://www.twentythree.co.uk Wo aber soll dann der Gralskelch abgeblieben sein? Möglicherweise brachten die Templer ihn noch in Sicherheit, bevor die große Verhaftungswelle einsetzte. Angeblich stach die gesamte Templerflotte am Abend bevor die europaweite Verhaftung sämtlicher Brüder begann vom Hafen La Rochelle aus in See und wurde nie wieder gesehen. Außerdem sollen einige Ritter nach Schottland ins Exil geflüchtet sein und sich der dort aufkommenden Freimaurerei angeschlossen haben. Zusammen mit dem schottischen Prinzen Henry Sinclair sollen sie auf Expeditionen gar bis in die Neue Welt, vor die Küste Neu-Schottlands gelangt sein und dort auf einer Insel, die heute "Oak Island" heißt, einen gigantischen Schacht angelegt haben, den sie mit verschiedenen "Sicherungsanlagen" versehen haben. Offensichtlich sollte dort etwas gut versteckt werden. Der Gral?

Es ist bis heute umstritten, ob dieser Schacht wirklich von Sinclair und seinen Begleitern angelegt wurde. Fest steht jedoch, dass einige schottische Bauwerke, die unter ihm errichtet wurden, Hinweise auf einen Besuch in der Neuen Welt enthalten.

Was auch immer der Gral sein mag, ob Kelch, Kessel oder Stammbaum, die Suche nach ihm hat viele Geister beflügelt - und egal, wo er heute verborgen liegen mag: Der Tag an dem er gefunden wird, wird leider auch das Ende all der schönen Legenden und Spekulationen sein. Daher soll als Schlusswort ein Zitat von Jorge Luis Borges dienen:

"Die Lösung eines Rätsels ist immer weniger interessant als das Rätsels selbst. Rätsel haben etwas Übernatürliches und sogar Göttliches - die Lösung aber ist immer nur Handwerk."

 

Zeittafel

??? v. Chr.

Erschaffung der Welt

??? v. Chr.

Aufstand Luzifer Morgensterns, Luzifer wird gestürzt, ein Kristall aus seiner Krone gelangt auf die Erde und wird zum Kelch verarbeitet

5 Jh. v. Chr.

keltische Mythen berichten von einem Kessel der Fülle, die Ähnlichkeiten mit der (späteren) Gralssage sind offensichtlich

0

Geburt Jesu Christi

ca. 33 n. Chr.

das Letzte Abendmahl - Jesus benutzt den Gralskelch, verwandelt darin u.a. sein Blut in Wein Kreuzigung Christi - Joseph von Arimathia oder Maria Magdalena fangen unter dem Kreuz die Blutstropfen Jesu im Gral auf

ca. 40 n. Chr.

Joseph von Arimathia reist mit einigen Gefolgsleuten (darunter wahrscheinlich Maria Magdalena) nach England, sie bringen den Gral mit sich; nach anderen Versionen gelangt der Gral in diesem Zeitraum mit Maria Magdalena (die von Jesus schwanger ist) nach Frankreich

5. Jh. n. Chr.

die Ritter der Tafelrunde suchen auf Geheiß König Arthurs nach dem Gral; nur wenigen Rittern scheint es zu gelingen, den Kelch überhaupt zu Gesicht zu bekommen, darunter Galahad, Parzival und Gawain

1120 bis 1128

Gründung des Ordens der Armen Ritter Christi, nach seinem ersten Quartier im (vermeintlichen Tempel Salomons) auch Tempelherren, Tempelritter oder einfach nur Templer genannt

1208 bis 1244

Albigenser-Kriege, auch Kreuzzug gegen den Gral; eine christlich-dualistische Sekte, die Katharer oder Albigenser, vermutlich im Besitz des Grals, wird durch Papst Innozenz III. der Häresie angeklagt, deren Mitglieder (wenn sie sich nicht von ihrem Glauben lossagten) verbrannt hier scheinen die Templer, die in die Kämpfe verwickelt waren, das Erbe der Katharer angetreten und den Gral an sich genommen zu haben.

1307

von Papst Clemens V. verraten und dem französischen König wegen ihrer Reichtümer beneidet, wird der Orden der Tempelritter verboten, seine Mitglieder werden verfolgt, gefoltert und hingerichtet; es ist auch von Geheimlehren, satanischen Idolen (oft mit dem Gral in Verbindung gebracht) die Rede

1314

der letzte Großmeister der Templer wird in Paris öffentlich auf dem Scheiterhaufen hingerichtet

1398

Prinz Henry Sinclair von Schottland soll die Neue Welt erreicht haben, mit ihm angeblich einige überlebende Tempelritter, die in Schottland Zuflucht gefunden hatten; auf der Insel "Oak Island" sollen sie einen "Schatz" (es wird gemutmaßt Hinweise auf den Gral oder den Kelch selbst) versteckt haben

1775

auf "Oak Island" entdecken Jugendliche eine komplizierte Anlage, einen Schacht der tief in die Erde reicht und durch verschiedene Vorrichtungen gesichert ist - bis heute dauern die Versuche an, dem Schacht auf den Grund zu gehen

1891

der Pfarrer des südfranzösischen Dorfes Rennes-le-Château, Berenger Sauniére, entdeckt bei der Restaurierung seiner Kirche einige Pergamente, die er in Paris untersuchen lässt, kurz darauf gelangt er zu unerklärlichem Reichtum, er soll entweder mit Hilfe dieser Dokumente einem "Schatz" auf die Spur gekommen sein oder Schweigegeld (von der Kirche?) kassiert haben

1995

der Gral wird angeblich auf dem Dachboden eines alten Herrenhaus in England gefunden

 

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