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as diesmalige Intermezzo fällt ein wenig aus dem Rahmen, doch die Idee ist den Platz wert und warum nicht mal was Neues?

Kai Crystalla hat sich mit dieser Abenteueridee einige Mühe gemacht, ich hoffe, ihr habt genausoviel Spaß beim Lesen wie ich es hatte.

Auf das ihr inspiriret werden möget!

Alles aus Liebe
von Kai Crystalla (c) 1999

"Sir George Northumberland III. ist tot!" Dieses teilt der Butler den Spielern früh morgens mit, nachdem sie vom schrillen Schrei der Putzfrau geweckt wurden, als sie ihn fand. Der Millionär war ein guter Freund der Charaktere oder zumindest ein Gönner, der sie eingeladen hatte, das Wochenende bei ihm in seinem Haus an der See zu verbringen. Wie unvorstellbar, gestern noch hatten alle zusammen unten am Meer, wo die Dienerschaft alles vorbereitet hatte, gefrühstückt, nachmittags hatte man das kleine nahegelegene Dorf erkundet und abends noch im Salon gemeinsam eine Zigarre geraucht, wobei der Gastgeber einigen Gästen noch heimlich Schecks zur Unterstützung ihrer Museen, Expeditionen oder Ausstellungen zugesteckt hatte, wie zum Beispiel Dr. Archilles Franklin für die Anschaffung einiger neuer Exponate, und nun war er tot. Dabei hatte alles so normal ausgesehen, als Sir George Northumberland III. gegen 22.00h den Salon verließ, um in der Bibliothek noch ein Buch zu lesen. Als man ihn fand, saß er an seinem Schreibtisch, der Kopf war auf ein aufgeschlagenes Buch gefallen und sein Herz schlug nicht mehr. Der herbeigerufene Arzt stellte als Todeszeit 3 Uhr in der Früh fest. Während die örtliche Polizei von Herzversagen ausgeht, gibt es noch andere Theorien für seinen Tod.

Kenner der Materie werden mir beipflichten, daß ein Leuchturm, in dem es spuken soll, nicht gerade jedermanns Sache ist. Trotzdem war das zum Haus gehörende Bauwerk nie abgerissen worden, obwohl es schon über hundert Jahre alt ist. Einem alten Tagebuchausschnitt zufolge hatte ein ehemaliger Besitzer des Hauses den Turm aus Liebe für seine junge Frau gebaut, damit sie das Meer sehen konnte, denn das Haus liegt hinter schützenden Dünen. Selbst bei Sturm waren sie hinübergegangen, um auf das Meer hinauszublicken. Nach seinem Tod war die junge Witwe totunglücklich und lebte einsam im Haus, bis sie eines Tages verschwand. Die Leute schreiben das Heulen, das im Turm tobt und das im Haus ungewöhnlich laut ist, ihrem spukenden Geist zu, der das Haus nicht verlassen kann. Wollte Sir George Northumberland III. den Turm vielleicht abreißen? Die Gerüchte sagen, daß er nie als Leuchtfeuer benutzt wurde, weil zwei Angestellte des Seeamtes, die ihn untersuchten, spurlos verschwanden. Was mag in diesem Turm hausen, das jeden tötet, der ihm etwas anhaben will? Wir werden es sehen...

Vorhin kam der Butler zu mir, der die Bibliothek mit der Polizei auf Spuren untersucht hatte. Fotheringhaig bestand darauf, daß Sir George Northumberland III. einen bestürzten Ausdruck auf seinem Gesicht hatte. Daraufhin besah ich mir den Ort nochmal, bevor der Raum versiegelt wurde. Schnell fiel mein Blick auf dieses uralte Buch. Wo mochte er solch ein Exemplar nur ausgegraben haben? Die aufgeschlagene Seite befaßte sich mit einem Sternbild und schilderte ein Wesen, das dort wohnt. Der Titel des Buches ist "Sternenträume". Hmmm, seltsam. Vom Träumen hatte ich schon gelesen, daß Träumer den Weg zurück nicht finden und der Körper seelenlos irgendwann stirbt. War ihm das passiert? Oder war sein Blick auf das geöffnete Fenster gerichtet gewesen? Welches Sternbild stand gegen 3 Uhr dort am Himmel und was hatte er gesehen? Da die Polizei trotz meines Einspruchs den Raum versiegelt hat, müssen diese Untersuchungen warten. Werde mal meinen Freund Jonathan J. Wirt fragen, ob er sich das Buch heute nacht nicht mal ansehen mag...

Ich Unseliger! Was habe ich getan? Fotheringhaig fand Mr. Wirt am frühen morgen in der Bibliothek. Tot. Dieselben Anzeichen wie in der Nacht zuvor. Wir untersuchten die Bibliothek gründlich, doch da das große Licht defekt war, erhellte nur eine kleine Schreibtischlampe den Raum. Fotheringhaig sagte, das Licht sei seit gestern defekt. Kann das Zufall sein? Wir öffneten die Lampe und siehe da: manipuliert. Doch was konnte man damit bezwecken? Doch nur das Anschalten der Schreibtischlampe. Zwischen unserem vereinten Gähnen fanden wir einen zusätzlichen Draht am Schalter, der zu einem Schrank führte, genauer gesagt in die Wand dahinter. Aber da war doch nur Fels, wenn man mal von dem kleinen Heizungsschacht absah, durch den man gerade mal die Hand stecken konnte. Moment! Die Heizung reagierte hier immer sehr langsam. Mochte da ein Hohlraum sein? Na klar, vielleicht ein Gang, durch den man trockenen Fußes auch bei Sturm zum Turm kommen konnte? Da wir nichts erkennen konnten, suchten wir im Turm und fanden den Gang. Das Heulen kam also vom Durchzug im Gang und war deshalb im Haus so laut. Der Gang endete zwar im Salon, aber hinter der Bibliothek fanden wir vier große Flaschen mit der Aufschrift Nitroxin und einen Schlauch in den Heizungsschacht, der mit Stoff abgedichtet war. Der Draht endete an einem kleinen elektrischen Ventil. Es handelte sich also um eine Stickstoffalle, die zwei Opfer gekostet hatte. Nun war auch klar, wieso in seinem Aschenbecher so viele Streichhölzer lagen aber nur ein Zigarrenstummel: Selbiger war immer wieder aus Sauerstoffmangel ausgegangen! Deswegen waren wir auch so müde geworden! Der Rest war leicht. Stickstoff konnte nur der Apotheker im Dorf besorgen, in dessen Büchern wir die Bestellung fanden. Zudem gab uns Jocelyn Lovelace den Hinweis, daß er der nunmehrigen Witwe ein teures Parfüm, von dem er nur zwei Flacons besaß und ihr selbst eines verkauft hatte, geschenkt hatte. Als wir Derry und die Witwe geschickt gegeneinander ausspielten, gestand er, daß er aus Liebe zu ihr ihren Mann umgebracht hatte, doch daß es ihr Plan war, um an das Vermögen des Verstorbenen zu kommen.
Doch welch schwacher Trost, wo ich mir nie verzeihen werde, meinen Freund Jonathan J. Wirt in den Tod geschickt zu haben. Manchmal möchte ich mich wieder zurück in diesen Turm begeben, um mich dem Heulen des Geistes anzuschließen, um gemeinsam mit ihm unser beider Vergangenheit zu vergessen.

[kc]

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